Wer noch nie in einem Geschäftslokal gearbeitet hat, glaubt oft, man würde sich dort beobachtet fühlen. Aus praktischer jahrelanger Selbsterfahrung kann ich euch sagen: Es ist umgekehrt. Ich habe eher Schwierigkeiten, Kunden in Meetings bei der Sache zu behalten, weil der Blick auf die Straße so spannend ist.
Die blanken Schaufensterscheiben spiegeln von außen das Leben auf der Straße wider und geben von innen den Blick darauf frei. Die Spiegelbilder verleiten Menschen eher dazu, sich selbst zu betrachten als auch das zu achten, was dahinterliegt. Menschen bleiben oft vor den Schaufenstern stehen, richten ihre Frisur oder zupfen ihre Jacke zurecht, üben unauffällig Posen oder suchen die nächste Hausnummerntafel.
Manche sehen vielleicht auch Ausstellungsobjekte in den Auslagen an und versuchen, sich einen Reim darauf zu machen, was hier eigentlich passiert, und nur wenige lassen ihren Blick dann auch tatsächlich hinter die spiegelnde Oberfläche schweifen und nehmen dann auch wahr, dass hier Menschen sitzen.
Wie wenig wir wahrnehmen, was gerade vor uns ist, wenn wir uns nicht bewusst machen, wo wir gerade hinsehen, hat mir spätestens jene ältere Herr bewiesen, dessen Hosen etwas locker saßen. Er stellte sich vor das Schaufenster als stünde er in einem uneinsehbaren Winkel, der ihn unsichtbar machte oder allenfalls das unumgänglich notwendige den Blicken Fremder preisgab.
Dann ließ er seine Hosen runter und streifte auch die Unterhosen ab, um etwas darin zu richten.
Danach konnte er erleichtert und zufrieden seine Hose wieder hochziehen, und sich unbeobachtet fühlend, weiterziehen. Wir haben auch wirklich nicht so genau hingesehen …