Die Verbreitung von Fake News und Zusammenhänge zwischen Informationsnetzwerken lassen sich schön nachzeichnen. Die Recherche bleibt aber mühsame Handarbeit.
Facebook gibt seinen Usern jetzt – in einer ersten Phase in 14 Ländern – Tipps, woran Falschmeldungen zu erkennen sind. Etablierte Medienunternehmen und neue Medienprojekte beschäftigen sich mit der Frage, wie bei zunehmenden Datenmengen Informationen überprüft, zurückverfolgt und zugeordnet werden können. ForscherInnen erstellen Handbücher, die JournalistInnen das Prüfen und Visualisieren von Informationsquellen erleichtern sollen, um über deren Qualität entscheiden zu können.
Sind das sinnvolle Strategien gegen die Verbreitung von Fake News und Informationsmüll?
Die Visualisierungen im „Field Guide to Fake News“ (veröffentlicht im April 2017) sind klar: Falschinformationen verbreiten sich in ähnlichen Netzwerken, sie tauchen oft nach monatelangen Pausen wieder auf, und bekannte Fake News-Seiten benutzen sogar statistisch relevant oft andere Tracker (zur Sammlung von Userdaten und zur Auslieferung von Werbung) als echte News-Seiten.
All diese Informationen können mit großteils frei verfügbaren Tools abgefragt werden. Die Zusammenfassung in aussagekräftigen Berichten ist allerdings einiges an Arbeit und (noch) nicht wirklich endusergerecht.
Fake News-Tools
Trotzdem eine kleine Übersicht über ein paar Tools, die von jedermann verwendet werden können. Im Wesentlichen sind es Tools, die sonst auch zur Erfolgskontrolle im Onlinemarketing verwendet werden. Bei der Auseinandersetzung it Fakenews oder fragwürdigen Quellen helfen sie, ein Gefühl dafür zu bekommen, in welcher Blase man sich gerade bewegt.
Crowd Tangle
Crowd Tangle analysiert die Verbreitung einzelner Urls in sozialen Netzwerken. Im Gegensatz zu reinen Zähltools wie sharedcount.com liefert Crowd Tangle nicht nur die Interaktionszahlen, das Tool misst auch, in welchen größeren Facebook-Gruppen und Twitter-Accounts ein Link wann verbreitet wurde. Damit bekommt man erste Hinweise darauf, welche Netzwerke welche Informationen unterstützen, wann sie etwas aufgreifen, und – über die zeitliche Reihenfolge – wer von wem Informationen übernimmt. Zur Visualisierung der Daten (sind als csv downloadbar) wird Raw Graphs empfohlen.
Die Vollversion von Crowd Tangle (mittlerweile auch von Facebook übernommen) ist leider nicht frei zugänglich und soll in erster Linie Publishern vorbehalten werden. Wie das ausgelegt wird, bleibt abzuwarten. Für jedermann offen ist aber die Crowd Tangle Chrome Extension, mit der zumindest einzelne Seiten direkt aus dem Browser überprüft werden können.
Tool Tracker
Erste Hinweise zu kommerziellen Interessen und Zusammenhängen zwischen fragwürdigen Newsseiten bietet der DMI-Tooltracker. Diese Abfrage liefert Informationen darüber, welche Tracker zur Datensammlung oder zur Auslieferung von Werbung oder weiterführendem Content in der jeweiligen Seite zur Anwendung kommen. Diese wesentlichen Tracker sind zwar überall ähnlich; einige Tracker, so die Autoren des Field Guide, sind aber klare Hinweise für eigene fragwürdige Contentnetzwerke.
Für die tagesaktuelle Recherche ist das wohl weniger praktisch, spannend ist aber die Langzeitanalyse, die zeigt, wie schnell die Zahl solcher Tracker wächst.
Wer Seiten nicht systematisch analysieren will, aber trotzdem einen schnellen Überblick will, bekommt die gleichen Informationen mit dem Ghostery-Browserplugin.
Spyonweb
Spyonweb ist eine Abfrage, mit der sich Zusammenhänge zwischen Webseiten herausfinden lassen. Die Abfrage kann mit Domains, IP-Adressen oder auch mit Tracker-IDs (z.B. einer Google Analytics ID) gestartet werden. Das Ergebnis sind dann die jeweils fehlenden Daten – und die Analyse, welche Seiten zusammenhängen: Wo wird die gleiche Google Analytics ID verwendet, welche Domains verwenden sie gleiche IP-Adresse.
Ab Beispiel der abgefragten fpoe.at erkennt man beispielsweise: Die Seite und diverse Sprache-Seiten werden gemeinsam gezählt, und auf der gleichen IP-Adresse laufen 30 weitere Domains, von denen manche (z.B. mieterschutz.at) nicht eindeutig als FPÖ-Seiten ausgewiesen sind.
Die angeblich unabhängige Domain politiknews.at teilt sich eine IP-Adresse mit 84 weiteren SPÖ-Domains.
Facebook Fake News-Tipps
Der Haken dabei: Die Hinweise zur Identifikation von Fake News sind um einiges länger als die Artikel, die üblicherweise gelesen werden. Aber immerhin sind sie in Listenform geschrieben.
Mit den Tipps geht auch eine Funktion einher, mit der einzelne als Fake empfundene Berichte gekennzeichnet werden können.
Das – in Verbindung mit der manchmal ungeschickten Sperrpolitik von Facebook bei gemeldeten Personen oder Postings – zeigt, wie sehr der Stellenwert von Netzwerken wie Facebook zunehmen wird.
Das gilt auch für die Fake News-Recherche-Tipps im Field Guide: Alle Recherchen nehmen ihren Ausgang bei Google. Google-Ergebnisse sind die erste Autorität wenn es um Datierung und Zuordnung von Inhalten geht und damit um das Nachzeichnen von Abhängigkeiten.
Was Google in dieser Welt nicht kennt, falsch indiziert oder datiert, existiert nicht – und kann auch nicht entlarvt werden.
Die schlechte Seite dabei ist: Der Ursprung von Information ist selten online. Dieser letzte Schritt kann auch mit den bisherigen Mitteln nicht nachvollzogen werden*.
Die gute Seite: Es werden nicht alle Social Media- und Google-User zu Faktenprüfern werden oder die Tools beherrschen lernen. Aber vielleicht gelingt es ja, einen Eindruck von Aufwand hinter der Faktenprüfung und der Bildung von Zusammenhängen zu vermitteln. Und das wären ja wieder Argumente, mit denen man für Journalismus Geld verlangen kann …
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PS: Falls sich jemand fragt, warum sich hier so viele FPÖ-Beispiele in den Abfragen finden – die Facebook-Seite der FPÖ bezeichnet sich jetzt als Nachrichten-/Medienwebseite, nicht mehr als politische Partei. Dort werden auch praktisch nur noch eigene Publikationen geteilt, die vor wenigen Monaten noch vorhandenen Restbestände an Krone.at-Links scheinen zu verschwinden.
* PPS: Hinweis in eigener Sache: Ich habe einmal eine etwas nerdige Geschichte geschrieben, in der es um genau solche Informationstracker geht. Damals (2009) war das noch eine (wenn auch nicht ganz aus der Luft gegriffene) Vision. Und der letzte Schritt (der in der Geschichte schon umgesetzt ist), das Anzapfen von Information in Mails, Messengern und Unternehmensnetzwerken, ist noch nicht gemacht. Aber warten wirs mal ab.