Brendan Ballou: Plunder

Brendan Ballou: Plunder

Das 1x1 der neuen Robber Barons.

Investmentbanken, früher der Gottseibeiuns des Heuschreckenkapitalismus, unterliegen seit der Finanzkrise von 2008 einigermaßen strengen Regeln. Damit sind die fragwürdigen Geschäfte, die Subprime Crash und Finanzkrise herbeigeführt haben, nicht verschwunden. Die Geschäfte macht jetzt nur jemnand anderer. Privates Kapital füllt die Lücke, die der Rückzug der Banken eröffnet hat. Private Equity, also Kapital, das abseits öffentlicher Börsen Unternehmensbeteiligungen sammelt, unterliegt wenigen Regeln, lebt vom Ausnutzen von Gesetzes- und Steuerschlupflöchern und vom Tempo. Unternehmen, an denen Private Equity-Konzerne Beteiligungen erworben haben, werden restrukturiert, oft in Franchisesysteme verwandelt, in Sell&Lease Back-Modelle gedrängt oder dazu gezwungen, Dienstleistungen oder Lieferungen von anderen zum gleichen Private Equity-Konzern gehörenden Unternehmen zu beziehen. Das verwandelt florierende Unternehmen schnell in Pleitekandidaten, das senkt die Servicequalität für Kunden und das begünstigt die Entstehung von Geschäftsmodellen, die auf leicht ausbeut- und erpressbare Kunden angewiesen sind. Nicht umsonst floriert das Private Equity Business stark in Pflegeeinrichtungen, in denen Personal reduziert wird, oder in Gefängnissen, in denen die Qualität der Ernährung herabgesetzt wird oder Insassen gezwungen werden, für simple Dienstleistungen wie Telefonanrufe horrende Preise zu bezahlen.

Brendan Ballou war auf Private Equity und Kartellrecht spezialisierter Staatsanwalt in den USA und auch in die Ermittlungen gegen die Kapitol-Stürmer involviert. Das ist leider auch schon das Spannendste an diesem Buch. „Plunder“ ist eine etwas uninspiriert dahinerzählte Sammlung von Aufregern, deren Menge eher abstumpft als sensibilisiert.

Aufregend sind die auf dem Spiel stehenden Beträge, die schnell in Milliardenhöhen schnellen und von Europa aus absurd fantastisch wirken. Das Buch schließt mit einer 30seitigen Aufzählung von Gesetzes- oder Steuerlücken, die geschlossen werden müssten, um Private Equity in geregelte Bahnen zu lenken. Im Kontext von zahlreichen anderen Regulierungsdebatten ist das eine richtungsweisende Sammlung, aber sie verliert sich ein wenig in der Vielfalt der behandelten Themen. Private Equity-Geschäftsmodelle sind ein Aspekt mehr, der für den Nutzen Weniger Nachteile für Viele bringt und nicht einmal ansatzweise Mehrwert stiftet. Das ist ein Muster, das heute oft zu beobachten ist und das teilweise astronomische Verschiebungen bewirkt. Ballous Erzählung bleibt aber blass, arbeitet keine Trends und Muster heraus – und stammt außerdem aus der Ära vor Trumps zweiter Präsidentschaft, die noch einmal alles über den Haufen wirft und nachteilige Entwicklungen beschleunigt. Sozial- und politkritische Bücher aus den USA altern zur Zeit besonders schnell.

Michael Hafner

Michael Hafner

Technologiehistoriker, Comic-Verleger, Datenanalyst

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