Sie werden mehr. Menschen mit eisernem Willen, glasharten Zielvorstellungen und dem Wissen um die Grundlagen des Universums. Zumindest des eigenen. Sie verfolgen einen Plan, können einem ungefragt erklären, was man falsch macht und was oder wer ihnen im Weg steht.
Das nennt sich dann Achtsamkeit: Man achtet auf die eigenen Bedürfnisse und eben diese Ziele und darauf, wie man möglichst gut und sicher, vielleicht auch schnell, dorthin kommt.
Kein Wunder, könnte man meinen, ist halt auch eine Art Altersfrage, so rund um vierzig. Und wenn ich auf durchaus turbulente letzte zwei drei Jahre zurücksehe, könnte ich mich da nicht ganz ausnehmen. Wenns nicht eindeutig keine Altersfrage wäre. Und auch keine neoesoterische Ausprägung. Es ist eine neue Form des Egoismus, bei der sich erstaunlich unterschiedliche Menschen erstaunlich einig sind.
Da gibts auf der einen Seite die Start Up-Kinder: „Um ein Start Up hochzuziehen, brauchst du Eier aus Stahl“, erklären sie und vergessen dabei, dass manche Menschen keine Eier haben und dass das weder ihr Fehler noch überhaupt ein Fehler ist. Sie reden von Zielen und Voraussetzungen, die man sich schaffen muss, um sie zu erreichen, und treffen sich dabei mit meditierenden nachdenklichen Unschlüssigen, die ihre Tage mit Listen und Zeitplänen vom ritualisierten Aufstehen bis zum ritualisierten Schlafengehen durchstrukturieren – um ihre Ziele zu erreichen.
Ich hätte gern solche Ziele. Einerseits solche, die sich durch das geordnete Vorbereiten der Kleidung für den nächsten Tag erreichen lassen, andererseits solche, denen ich erlauben kann, einen derart umfassenden Einfluss auf mein Leben zu haben. Denen ich alles unterordnen kann, weil – ja weil was? Weil mit dem Erreichen dieser Ziele tatsächlich alles anders wird?
Gewissheit ist etwas Feines. Wenn nicht der Zweifel das ausgeprägte Talent hätte, die eigene Gewissheit immer wieder in Frage zu stellen. Das bedeutet nicht, dass man unentschlossen und planlos umhertorkeln muss. Zweifel bedeutet eher die Gewissheit, mit Planänderungen umgehen zu müssen. Und die Gewissheit, dass man sich selbst nicht loswerden kann.
Wozu also Pläne und Zielsetzungen? Um etwas zu erreichen, sich zu entwickeln, etwas zu schaffen, Sicherheit herzustellen – was auch immer man möchte. Das kann Zeit in Anspruch nehmen und langfristige Horizonte erfordern. Der Wille zu Abkürzungen wird als Symptom der Zeit gesehen, Ungeduld ist eine Krankheit der Moderne und nicht zuletzt ist auch dieses Internet daran schuld, dass wir alles zugleich und sofort haben wollen.
Naja, nicht ganz. Dieser Fischer, der dem pläneschmiedenden Jungunternehmer, der ihm vorrechnet, er könnte, wer er nur mehr investierte, Genug Geld verdienen um friedlich am Strand zu sitzen, erklärte: „Das kann ich auch so“, hatte aller Wahrscheinlichkeit nach kein Internet.
So gehts mir immer mit Plänen und Zielen. Der eine Plan, der so klares und strukturiertes Handeln ermöglichen würde, erscheint mir immer so eindimensional wie der Plan einer Laborratte im Konditionierungstraining. Und dann stehe ich trotzdem jeden Tag auf, arbeite manchmal auch zu lang und ärgere mich, wenn ich andere Pläne aufschieben muss oder sie gar vorübergehend aus den Augen verliere. Und bin dann am zufriedensten, wenn ich mal nicht an Pläne und Ziele denke.
Aber vielleicht habe ich auch nur noch nie wirklich gelernt, wie man Pläne schmiedet und Ziele definiert. Vielleicht aber haben jene, die egal ob geschäftlich oder esoterisch, so klare Ziele haben, ja insgeheim einfach auch mal mit einer Wahrsagerin geredet, um Gewissheit über ihre richtigen Ziele zu erlangen. Wobei – dann steht ja schon wieder die Frage im Raum: Wenns wirklich deines ist, wozu brauchst du dann Eier aus Stahl und den strukturierten Tagesplan zum Ausfüllen und Abhaken?