Am Ende des Superwahljahrs: Die ÖVP reduziert sich verlässlich auf Machttaktik, die SPÖ verwandelt sich in ein politisches Überraschungsei – süße Schale, keine Ahnung, was drin ist.
Wir haben also einige Wahlen hinter uns. Und eine Partei gehört ganz definitiv nicht zu den Siegern: Die ÖVP hat auf allen Ebenen verloren, ist satte Mehrheiten losgeworden und hat sich fallweise pulverisiert. Die kumulierten Verluste bei den Landtagswahlen in Vorarlberg, Oberösterreich, Wien, im Burgenland und in der Steiermark liegen bei 38,34% (im Durchschnitt 7,7% Verlust pro Wahlgang). Daneben nimmt sich die SPÖ (27,3% kumuliert, 5,5% im Durchschnitt) wie ein strahlender Sieger aus.
Und dann passiert das, was salonfähig geworden ist, seit Wolfgang Schüssel 2000 in den schwarzen Porsche gestiegen ist: Der Verlierer (die ÖVP war damals, nur zur Erinnerung, nach den Nationalratswahlen nur auf Platz drei) randaliert und wirft Vernunft, Anstand und Prinzipien zu Gunsten machttaktischer Überlegungen über Bord.
Heute sieht das so aus: Es werden erstmal „neue“ Gesichter präsentiert. – Mitterlehner, der gleich vom Wirtschaftsbund als “einer von uns“ vereinnahmt wurde, Gernot Blümel, der sich als Matthias Strolz-Klon vom Generalsekretär zum Wien-Chef downgraden lassen musste, Peter Mc Donald, seit Jahren bei Wirtschaftsbund und Sozialversicherung, oder Hans Jörg Schelling, der Finanzminister “mit Wirtschaftskompetenz”.
Alle reden von neuen Ideen, frischem Wind und dem vagen Vorhaben, Dinge jetzt auch wirklich und diesmal ganz bestimmt und fix angehen und umsetzen zu wollen. Was das über ihre bisherige Tätigkeit oder – im Fall des Finanzministers – über dessen parteifreundliche VorgängerInnen – aussagt, lassen wir mal offen.
Dem folgen Neuwahl-Drohungen und blaue Koalitionsflirts. Bei allem, was wir heute über Schwarz-Blau und die Folgen wissen, dürfen wir eines nicht vergessen: Für die ÖVP war das ein machttaktischer und kurzfristiger Mega-Erfolg: 2002, zwei Jahre nach der Koalitions-Katastrophe, war die ÖVP mit 42,3% (+15,4%) stimmenstärkste Partei bei den Nationalratswahlen, der lästige Juniorpartner FPÖ musste sich mit 10% (-16,9%) zufriedengeben. Der weitere Verlauf der Geschichte: 2006 (damals noch mit dem Bundeskanzler in den eigenen Reihen) verlor die ÖVP knapp 8 Prozent, 2008 (nachdem man wiedereinmal Neuwahlen provoziert hatte) über 8 Prozent, 2013 (als Juniorpartner in einer Koalition und nach einer brav abgesessenen Legislaturperiode) immerhin nur zwei Prozent.
Daraus könnte man ableiten: Haltet die Klappe, das ist (langfristig gesehen) gut für euch.
Stattdessen gewinnt der schwarz-blaue Selbstzerstörungstrieb wieder an Fahrt.
Schliesslich hat es die SPÖ ja im Burgenland vorgemacht. Und ist mittlerweile auf einem ganz eigenen Selbstzerstörungstrip: Kaum gibt es einen Bürgermeister, der Aufmerksamkeit und Sympathien versammelt, wird ihm vom Kommunikationschef ausgerichtet, er sei eine Randfigur, die nichts zu melden hat. Jede Landtags-Stimme für die SPÖ wird zu einer Stimme gegen den Kanzler hochstilisiert (im Burgenland in die eine Richtung, in Wien in die andere Richtung). Und kaum gibt es eine Basis-Initiative zur Erneuerung der Partei , lässt der Bundesgeschäftsführer ausrichten, es gebe ohnehin genug Beteiligungsmöglichkeiten für die “angeblichen Parteimitglieder” in den traditionellen Parteigremien.
Die UnterzeichnerInnen des offenen Briefs (“Lieber Genosse Faymann, dafür bist Du aus vielen Gründen nicht mehr der Richtige. Es ist Zeit für Dich zu gehen.“) auf wirwollenmehr.at sehen das anders.
Was lernt man als WählerIn daraus?
Jede Stimme für die ÖVP ist ein Dominostein in einem machttaktischen Spiel. Ich erkenne keine inhaltliche Linie, keine Selbstreflexion und absolut nichts, was mich glauben machen würde, mehr Macht für die ÖVP könnte irgendetwas ändern. Parteisoldaten und langgediente Funktionäre werden nach oben gespült, als neu präsentiert – und verpuffen wirkungslos (im September 2014, nach Antritt Mitterlehners, gab es noch Umfragen, die die ÖVP bei 24-26% (Nationalratswahlen) sahen; heute sind das ziemlich konstant 20%). Wer keine blaue Regierung will, sollte also vor allem eines nicht tun: Schwarz wählen.
Die SPÖ kämpft um ein neues soziales Profil, bekommt von unten viel Aufmerksamkeit, könnte sogar neue Helden hervorbringen – und die Parteispitze schweigt dazu beleidigt. Die SPÖ zu wählen muss ein ähnliches Gefühl sein, wie ein Überraschungsei zu kaufen: Es gibt ein bisschen was Süßes rundherum, aber man hat keine Ahnung, was einen wirklich erwartet. Als optimistischer Mensch könnte man dabei – im Gegensatz zur ÖVP – wenigstens noch auf das Gute hoffen …
Hilft das irgendwem? Leider nein.