Amazon rückt Bücher nach hinten ins Regal. Der Onlinehändler, der mit dem Verkauf von Büchern groß geworden ist, will jetzt verstärkt Güter des täglichen Bedarfs verkaufen, um auf gestiegene Nachfrage in Corona-Zeiten zu reagieren. So weit so gut.
Ich überlege, das zum Anlass für den endgültigen Ausstieg als Händler zu nehmen.
- Die Long Tail-Legende hat nie so recht funktioniert. Gerade so große Plattformen wie Amazon haben eine sehr starke Tendenz zu Blasenbildung und Entropie – man findet mehr vom Gleichen, und das nach Massentauglichkeit priorisiert.
- Amazon brummt Kunden ordentliche Versandkosten auf – wohl um die eigenen Lager und den eigenen Versand zu subventionieren. Selbst bei Bestellung mehrerer Produkte können Kunden keine besseren Versandkonditionen geboten werden, wer 5 Bücher kauft, zahlt fünf Mal Porto. Das verärgert Kunden und verursacht Arbeit im Support; erst bei Accounts, die mit höheren Fixkosten verbunden sind, lässt sich das besser handhaben.
- Mit Fulfillment by Amazon ließe sich das umgehen. Man schickt Ware ins Lager, Amazon verschickt an den Kunden. Seit Amazon sich nun an Umsatzsteuergesetze halten muss, müssen Händler aufwendige Steuerformulare ausfüllen, als österreichisches Unternehmen braucht man mindestens eine deutsche Steuernummer, um Ware in den Amazon-Lagern haben zu dürfen. Das führt zu absurden Situationen bei der Preisberechnung, etwa wenn Kunden aus Österreich bei der Bestellung eines österreichischen Produkts deutsche Umsatzsteuer verrechnet wird.
- Damit ist Amazon auch nicht mehr wirklich international. Für die europäischen Märkte und den japanischen Markt müssen getrennte Angebote erstellt werden; für de amerikanischen Markt braucht es überhaupt einen eigenen Zugang. Und damit ist die Angelegenheit auch ziemlich teuer und preislich intransparent. Auf Amazon.de , co.uk und anderen Märkten kassiert Amazon Provisionen, behält Umsätze ein und zahlt sie erst später aus. Auf Amazon.com kann man ohne fixe Grundgebühr gar nicht mehr verkaufen, dazu kommen noch umsatzabhängige Provisionen. Mit dem eigenen Onlineshop kann man weltweite Angebote und internationale Versandkosten mittlerweile viel besser steuern.
Amazon informiert Kunden falsch
Der einzige Grund, noch auf Amazon präsent zu sein, liegt in der systemimmanenten Fehlinformation, mit der Amazon seine Kunden in die Irre führt. Jedes Buch mit ISBN kann auf Amazon gefunden werden, egal, ob es dazu ein Angebot gibt oder nicht. Wenn kein Amazon-Händler das Buch in seinem Programm hat, heißt es bei Amazon: „Derzeit nicht lieferbar“. Dass das Buch überall anders, nur nicht bei Amazon, lieferbar ist wird geflissentlich ignoriert.
Unabhängig davon, ob Amazon Bücher wieder besser positionieren wird und ob Amazon seine Steuerprobleme in de Griff bekommt: Jede Institution, die Daten an Amazon liefert oder zulässt, dass Amazon ihre Daten verwendet, sollte darauf bestehen, dass dieser irreführende Zusatz entfernt wird. Für Österreich und Deutschland wäre das der Börsenverein des Deutschen Buchhandels als Betreiber des Verzeichnis lieferbarer Bücher.
Das wäre auch ein Thema, das ich gern in der Buch- und Medienwirtschaftsfachgruppe der Wirtschaftskammer gezielter auf den Tisch bringen würde – wenn es mal wieder Ausschusssitzungen gibt. Die sind nämlich alle bis auf weiters abgesagt; einen Plan, wann die Ausschüsse wieder arbeiten sollen, gibt es offenbar nicht.
Lieber gleich mit eigenem Onlineshop
Natürlich ist es gerade für kleine Verlage essenziell, Bücher online verkaufen zu können. Dazu braucht man Amazon nicht. Ein eigener Onlineshop für einen Verlag ist deutlich einfacher als ein Onlineshop für Buchhändler, aber beides kann innerhalb von zwei Tagen startklar sein – und mit meiner Agentur helfe ich im übrigen gern dabei.