Daten sind nützlich, davon sind alle überzeugt. Vielleicht sind sie auch gefährlich. Eventuell sogar wertvoll.
Daten entfalten jedenfalls Wirkung, das ist heute ein Gemeinplatz. Ungeklärt ist aber die Frage, wie diese Wirkung zustande kommt. Daten geben eine Richtung vor und sind Teil der Lösung. Allerdings übergeht dieses Szenario das Problem, wie Daten Organisationen verändern, in Prozesse eingreifen, Richtungswechsel in Strategien bewirken oder den Unternehmenserfolg beeinflussen. Dieser Übergang gleich oft dem wirren Wollknäuel in Cartoon-Projektplänen, der mit “Hier geschieht ein Wunder” beschriftet ist.
Data Science- und Big Data-Beschreibungen gehen heute glücklicherweise schon weit über die Betonung technischen und statistisch-mathematischen Spezialwissens hinaus. Fachwissen ist wichtig, um relevante Fragestellungen identifizieren zu können. Historisch-dokumentarische Kenntnisse sind notwendig, um Datenerhebungsprozesse gestalten und evaluieren zu können. Und jeder ernstzunehmende Datenspezialist wird nicht müde zu betonen, dass die Arbeit des Konzipierens, Sammelns und Bereinigens von Daten den völlig unglamourösen Löwenanteil in der Datenarbeit ausmacht. Bevor auch nur eine einzige Codezeile smarter Algorithmen geschrieben ist, wurden dutzende Stunden mit platten Strichlisten, Spreadsheets und Plausibilitätsprüfungen verbracht.
Der vorbereitenden Arbeit, der archäologischen Spurensuche wird also große Bedeutung beigemessen. Dann klafft allerdings eine große Lücke.
Daten sind wichtig und wirksam, so die Überzeugung. Wie gelingt ihnen das aber? Hier befinden wir uns großteils noch im Reich der Magie.
Das ist eine Gefahr für die Arbeit mit Daten.
Erwartungsmanagement ist ein weiterer zentraler Skill jedes Analysten. Erwartungsvollen Kunden oder CEOs muss klargemacht werden, dass Daten erstens Zeit brauchen und zweitens nur in eine Richtung zeigen. Ob dieses Zeigen ein Wegweiser, ein Schubs, ein unwiderstehlicher Sog oder ein bloßes Mahnmal ist, das liegt nicht mehr an Daten allein. Das ist eine Prozessfrage. Hier müssen sich Organisationen verändern. Und vor allem: Hier müssen Entscheidungen getroffen und durchgesetzt werden.
Data Science verspricht, zu besseren Entscheidungen zu verhelfen. Langwierige Data Science-Prozesse werfen die Frage auf, worüber eigentlich entschieden wird. Die letzte Entscheidung darüber, was nun tatsächlich umgesetzt wird, welche Handlungen aufgrund der Daten gesetzt werden, obliegt praktisch weder Data Scientists noch Data Analysts, sondern organisatorische verantwortlichen Personen. Es ist eine gefährliche Überschätzung von Daten, diesen Unterschied zu übergehen. Das führt zu Frustration (“Diese Daten bringen uns überhaupt nichts”), Lähmung (“Ich brauche mehr Daten, um das entscheiden zu können”) oder gar zum Daten-Deadlock.
Jeder Analyst kennt den Daten-Deadlock: Man präsentiert neue Ergebnisse, zeigt auf Problemstellen, leitet neue Empfehlungen aus Details ab – und bekommt die Antwort: “Das weiß ich schon, das ist nichts Neues für mich.”
In solchen Fällen bleibt eigentlich nur übrig, die Frage zu stellen: “Und warum handeln Sie dann nicht danach?”
Das ist in vielen Fällen das Ende der freundlichen Zusammenarbeit.
Manchmal aber offenbart diese Situation aber auch neue Handlungsspielräume – plötzlich wird klar, dass man sich bewegen kann, wer sich bewegen muss und dass immer nur überschaubare Schritte gesetzt werden können – die ihrerseits auch wieder analytisch begleitet werden können.
Data Science und Analytics enden nicht mit smarten Algorithmen und fancy Python-Scripts. Das sind nicht einmal die Höhepunkte von Datenprozessen. Sie sind das Ende der Anfangsphase, danach beginnt die Arbeit in Prozessen und Organisationen. Für manche ist das eine Entzauberung der mächtigen Daten. Magie aber hat noch selten gut funktioniert, wenn man nur nah genug hinsieht.