Prison Memoirs werden auf „And Crocodiles are hungry at night“ als eigenes im Barcode codiertes Genre geführt. Jack Mapanje beschreibt das Ende der jahrzehntelangen Diktatur in Malawi, als es eine realistische Option für politische Gefangene war, von Krokodilen gefressen zu werden. Mapanje verbrachte diese Jahre – in seinem Fall fast vier – selbst als politischer Gefangener ohne Anklage, ohne Prozess und ohne andere Rechtsgrundlage.
Malawi wurde bis in die frühen 90er Jahre von Hastings Banda regiert. Banda, der in England Medizin studiert hatte, war, wie viele politische Führer der ersten Jahre nach der Kolonialzeit, schnell vom Hoffnungsträger zum Despoten mutiert. Das lag gar nicht nur an ihm, sondern an einem schnell entstandenen Netzwerk rund um seine Geliebte und deren Verwandte, in dem letztlich kaum noch jemand die Kontrolle hatte – aber jeder einen Grund fand, im anderen eine Bedrohung zu sehen. Für Menschen bedeutete das: Sowohl Kritik an Banda war gefährlich als auch Nähe, denn wer zu erfolgreich war oder Respekt und Aufmerksamkeit des Diktators hatte, wurde zur Bedrohung für dessen Netzwerk.
Mapanje beschreibt diese Ausweglosigkeit indirekt über die Ratlosigkeit der Polizeibehörden, die auch nicht wissen, warum er eingesperrt wurde und das offen sagen, über Gefängniswärter, die teils Tyrannen, teils mitleidige Kollaborateure sind, über andere Häftlinge, die ratlose Leidensgenossen oder misstrauische Kritiker sind – kaum jemand findet in diesem Netzwerk aus Neid, Misstrauen und Angst seinen Platz.
Wie in vielen Diktaturen schuf Banda neben Polizei und Militär eine Reihe weiterer Unterdrückungsapparate, besonders berüchtigt waren die Young Pioneers, eine Schlägertruppe wie die Interahamwe, die in Ruanda während des Genozids zu gefürchteten Mördern wurden.
Mapanje beschreibt Unterhaltungen mit Polizisten, die selbst in ständiger Angst vor anderen „higher authorities“ lebten.
An diesem Trupps und Organisationen vorbei empfahl der nationale Polizeikommandant immer wieder Mapanjes Freilassung. Banda lehnte sie immer wieder ab.
Mapanje, der einige Jahre vor seiner Verhaftung einen als kritisch-politisch beurteilten Gedichtband veröffentlicht hatte, fand viel Beachtung über den PEN und andere Netzwerke; er wurde in Abwesenheit mit Preisen ausgezeichnet, die stellvertretend Größen wie Nobelpreisträger Wole Soyinka entgegennahmen. Harold Pinter demonstrierte für seine Freilassung, die Universität York bot ihm Jobs an – ob diese internationalen Aktionen oder die Empfehlungen der Polizei ausschlaggebend für die Freilassung waren, bleibt ebenso im Dunkeln wie die eigentlichen Gründe der Verhaftung.
Auch nach der Freilassung zeigte sich die Komplexität der politischen Lage. Banda hatte Mapanje zugesagt, er könne in seinen Job an der Universität zurückkehren. Dort – irgendwo an der Universität, unter den Verwandten von Bandas Geliebter, musste das Komplott gegen Mapanje seinen Ausgang genommen haben – sabotierte man die Anordnungen des Diktators.
Mapanje nahm den Job in York an, auch seine Ausreise scheiterte fast trotz der von Banda bewilligten Reisefreiheit.
Mapanjes Memoiren sind ein Baustein, um Diktaturen, Widerstand und die Ratlosigkeit den für sich genommen kleinen, in Summe aber unlösbaren Problemen gegenüber kennenzulernen. Der Text erzählt ohne eigentlich Höhepunkte, ohne besondere Spannung dahin – aber trotzdem will man weiterlesen. Und erst nach den letzten Seiten setzt sich die eigentliche große Frage fest: Wir lebt es sich mit der Ungewissheit darüber, warum und auf wessen Betreiben genau man fast vier Jahre im Gefängnis verbrachte?
Die Frage beantwortet Mapanje nicht. Aber er lebt heute noch im britischen Exil.