Von den Grenzen zwischen Innovation und Verzweiflung

Größter Treiber der Innovationskraft in Medien und Kultur in Österreich ist die Tatsache, dass es wurscht ist. Das ist nur oberflächlich betrachtet paradox. Die Unterschiede zwischen Erfolg und Belanglosigkeit sind weitgehend so minimal, dass es wurscht ist.

Das spornt oft erst mal an. Man kann was tun, man muss es selber tun. Man muss sich eben auch um Verkauf und Vertrieb selbst kümmern. Die Erfolgreichen sind nicht außer Reichweite und sie haben auch keine so viel größeren Strukturen hinter sich. Dort wo die ganz Großen sind, will man ohnehin nicht hin. Ist ja eine sterbende Branche. Kontakte sind schnell gemacht; Freund/Feind-Schemen funktionieren verlässlich und transitiv: In sich selbst verstärkenden Zirkeln vollzieht sich die Übertragung zugeschriebener Relevanz auch ohne Primärkontakt.

Und dann wurschtelt man halt, kommerziell betrachtet, so vor sich hin. Das ist ausreichend, um Medienunternehmer zu sein.

Daran ist nichts falsch.

Aber das immerwährende Praktikum, der nie eingelöste Hoffnungswert, das immer den Umständen geschuldete Ausbleiben des kommerziell durchschlagenden Erfolgs sollten nicht als Gütesiegel von Qualität verstanden werden.

Aber weil es wurscht ist, kann man Dinge lang weiterziehen und schon irgendwie am Leben erhalten, Erfolge herbei- und die eigene Belanglosigkeit wegreden. Bis man dann doch eine Tages den Stecker zieht.

Warum hast du das so lang gemacht?, fragen dann die einen. Nein, wie kannst du nur so was Tolles wegwerfen!, entsetzen sich die anderen.

PS: Man muss ergänzen: Auch in der obersten Liga ist Österreich als Medienstandort Teletubby-Land (und hat die Medienexperten, die es verdient).

PPS: Ich weiß das, weil ich meine verlegerischen Medienunternehmer-Aktivitäten weitestgehend zurückgefahren habe. Ich will lieber wieder schreiben, verkaufen können andere. Aber bis dahin könnt ihr noch schnell das neue Austrian Superheroes Special 2023 kaufen, oder die Horror Graphic Novel Bauer (oder was von den Büchern unten 🙂 …).

Sopie Passmann: Pick Me Girls

Nur die coolsten Mönner lesen Bücher von Frauen – meint Passmann auf den ersten Seiten von Pick Me Girls. Insofern liegt die Latte ja niedrig. Trotzdem habe ich mir mit dem Essay teilweise schwergetan.

Pick Me Girls, das sind Frauen für Mönner, die eigentlich nichts mit Frauen zu tun haben wollen, sondern einen weiteren Kumpel mit anderen körperlichen Attributen wollen. Sie sind unkompliziert, verleugnen sich selbt, missachten eigene Bedürfbisse und vermeiden möglichst alle Berührungspunkte mit dem Klischee der komplizierten Frau. Sie begegnen Unzufriedenheit oder Unsicherheit mit dem eigenen Körper, indem sie Körperliches als unwichig betrachten, sie distanzieren sich von weiblichen Rollenbildern, indem sie sie als dumme Klischees betrachten, die auf viele andere zutreffen, aber nicht auf sie selbst.

Passmann beschreibt die Unzufriedenheit als Pick Me Girl und die – erlösende – Unzufriedenheit, zu dieser Unzufriedenheit zu stehen und sich auf die eigenen Ängste und Sorgen einzulassen. Ein normaler Prozess des Erwachsenerwerdens, könnte man meinen.

Und in der Tat erwähnt Passmann nebenbei, dass es nachdenklichen Jungs ebenso geht: Sie leben an Erwartungen vorbei, lassen möglicherweise positive Rolllenklischees liegen und müssen sich die Frage gefallen lassen, warum sie all die Chancen, ein rücksichtsloser tatkräftiger Arsch zu sein, so wie es von Männern erwartet wird, an sich vorbeiziehen lassen.

Warum dann ein ganzes Buch über die weibliche Perspektive?

Eben weil Männer Erwartungen, Selbstbilder und positive und negative Heldenfiguren seit langem detailliert sezieren, analysieren und zelebrieren. Ohne zu erwähnen, dass das mitunter ein wenig erbärmliche Bubengeschichten sind.