Medienfinanzierung: Last Exit Non Profit

An Veranstaltungen wie dem International Journalism Festival in Perugia waren klassische Medienhäuser schon länger in der Unterzahl. Ein paar Öffentlich-Rechtliche, vielleicht noch ein paar deutsche Regionalzeitungen, aber nationale Medienhäuser waren dort in den vergangenen Jahren kaum vertreten. Dort, wo Medieninnovation beschworen wird, sind die Großen die Minderheit. Sie sind es in diesen Fällen auch, was die Finanzkraft betrifft: Medienstartups mit den coolsten Ansätzen waren in Perugia und anderswo vorrangig stiftungsfinanziert. Mit der Unterstützung finanzkräftiger Förderer bildet sich Non Profit-Journalismus als Mittelweg zwischen öffentlich-rechlichem und privat finanziertem Journalismus heraus.

Medienphilantropie hat in den vergangenen Monaten auch Wien erreicht. Ex-Standard-Chefredakteur Martin Kotynek führt den Media Forward Fund, der gerade eine erste Förderrunde mit einer Vielzahl von Einreichern abwickelt, die Erste Stiftung, die schon länger Journalistenstipendien vergab, enagierte sich mit Pluralis auch als Geldgeberin für Medienbeteiligungen, und dieser Tage wurde die Datum Stiftung rund um das Monatsmagazin Datum vorgestellt.

Alle verfolgen das Ziel, selbstbewussten Journalismus und Medien als Stütze der Demokratie zu fördern. Ungarn und Polen sind abschreckende Beispiele für staatliche Kontrolle und problematische Entwicklungen in der Pressefreiheit, Social Media und Desinformation sind geteilte Außenfeinde.

Non Profit wird sich ein relevanter Faktor in der Medienfinanzierung werden. Allerdings müssen sich in der Regel auch Non Profit-Medien selbst finanzieren. Der Guardian ist als Stiftung organisiert, muss aber dennoch Erträge erwirtschaften, mit denen die Stiftung wirtschaften kann. Durchalimentierte Organisationen wie die neue Wiener Zeitung sind die Ausnahme und haben oft auch ein Ablaufdatum, das abhängig vom Finanzier mitunter sehr plötzlich eintritt.

Medien brauchen zahlende Leser. Das kann zum Schwachpunkt vieler unter dem Non Profit-Dach ventilierter stiftungsfinanzierte Medienideen werden. Hört man Stiftern und den sich bewerbenden Medienmachern zu, dann stehen Bildungs- und Aufklärungsaufgaben des Journalismus eindeutig im Vordergrund. Medienkonsumenten sollen befähigt werden, Entscheidungen zu treffen, sie sollen Antworten auf ihre Fragen finden.

Es ist nun meiner Einschätzung nach nicht so, dass Medienkonsumenten zu viele (unbeantwortete) Fragen haben. Sie haben eher zu viele Antworten. Ich stelle mir österreichische NachrichtenleserInnen als Menschen vor, die morgens mit der einen Hand zur Axt greifen, mit der anderen zur Pistole, sich vor Rechner oder Smartphone setzen, vielleicht noch ein Messer zwischen die Zähne klemmen, und die richten wollen.

Ihnen mögen die Fälle vorgeführt werden, sie werden urteilen. Wie komme ich zu dieser Vorstellung? Das sehe ich in den Kommentarzeilen der Zeitungen – in allen. Die allwissende Wut der LeserInnen ist kein Boulevardproblem. Es trifft eher das Gegenteil zu – je elaborierter kommentiert wird, desto deutlicher wird diese wissende Verbissenheit.

Wut, Wissen, Witz – aufmerksamen Analysten begegnet vieles in der Beschäftigung mit Lesern. Drängende unbeantwortete Fragen sind selten darunter.

Was bringt solche Entschlossenen aus der Ruhe, was stört ihr Gleichgewicht und den Ablauf ihrer Diät der Empörung? Will man solche Leser überhaupt? Oder beschränkt man sich erst auf die Informationshungrigen und predigt abwechselnd im Sesselkreis zur eigenen Gefolgschaft? Letzteres trägt im Übrigen nicht dazu bei, die eigene Arbeit zu verbessern. Es fehlt der relevante Widerspruch. Deshalb – und auch das ist eine Nebenerscheinung der neuen Formen des abseits von LeserInnen alimentierten Journalismus – finde ich es geradezu haarsträubend, wenn sich von Ein-Personen-Redaktionen getragene Medienexperimente Qualitätsjournalismus auf die Fahnen schreiben.

Diesem Anspruch fehlt das gleiche Element, das auch den wissenden Lesern fehlt.

Es ist nicht Aufklärung, Anleitung oder noch mehr Information. Es ist Zweifel.

Wer zweifelt, ist erst mal still. Dann folgen Fragen statt Vorträgen.

Ich habe oft schon Zweifel, no pun intended, geäußert, dass Bildung und Evidenz die Gamechanger auf dem Weg zu einer aufgeklärten Gesellschaft sind. Lernen ist heute das leichteste auf der Welt. Information ist überall. Lernen lässt sich in jedes Leben integrieren, ganz akute Notlagen vielleicht ausgenommen.

Zweifel drängt zu den Fragen, die sich LeserInnen erst stellen müssen, bevor sie empfänglich für Antworten sind. Journalismus kann dazu beitragen, produktiven Zweifel zu säen. Zweifel entsteht durch Vielfalt und Entscheidungsoptionen, durch eine Vielzahl sichtbarer Perspektiven und Realitäten und durch die Vermittlung dieser Unterschiede. Sie müssen in Beziehung gesetzt werden, sonst bedeuten sie nichts.

Reportagen, Gespräche, Storys, für die Journalisten ihre Schreibtische verlassen, mit Menschen gesprochen und selbst neues kennengelernt haben, können diesen Zweifel schaffen. Allein geschriebene Kolumnen, Kommentare oder Nacherzählungen schaffen das ebensowenig wie schnell geführte Interviews oder Befindlichkeitsreflexionen.

Zweifel bewirkt Fragen, die LeserInnen sich über unterschiedliche Quellen und Kanäle beantworten können. Kleinteilige Non Profit-Medien produzieren oft nicht den Journalismus, der es schafft, diesen Zweifel zu wecken und für die User relevante Fragen entstehen zu lassen.

Manche Fragen stellen sich LeserInnen auch ohne solche Zweifel. Salz erst in kochendes Wasser oder schon davor? Dürfen Hunde Schokolade essen? Was ist mit David Alabas Knie? Mit solchen Fragen landen LeserInnen in der Regel nicht bei Medien, die erklären wollen, sondern bei hyperoptimierten ECommerce-Landingpages oder anderen SEO-starken Agendasettern, deren Inhalte von Medienmanagementstudierenden im dritten Semester anhand der Inhalte vom vorigen Jahr ergooglet wurden.

Erste Ergebnisse aus nicht durch Leser oder Werbung finanziertem Journalismus machen auf eine weitere Schwachstelle der Gattung des Non Profit-Journalismus aufmerksam. FördernehmerInnen werden oft dazu angehalten, Medienideen mit Redaktions- und Businessplan einzureichen. Das überfordert kleine Teams. Menschen haben unterschiedliche Talente – tolle Inhalte ergeben kein Medium, sondern eine lose Sammlung toller Inhalte. Und ein professionell finanziertes und vertriebenes Medium scheitern manchmal daran, dass Finanziers von der gähnende Langweiligkeit des Produkts enttäuscht sind, das sie da finanziert haben. Die Realität kann mit dem Pitch nicht mithalten.

Gibt es da einen Ausweg? Früher gab es freie Verkäufer, die neue Medien in ihren Portfolios mitnehmen konnten. Vielleicht ist auch das eine abhanden gekommene relevante Infrastruktur, für die Ersatz notwendig ist, so wie für manche Ersatz für alte Vertriebswege notwendig ist.