Liebe Crowd, ich habe ein Problem

Liebe Crowd, ich habe ein Problem

[su_dropcap]D[/su_dropcap]as ist ein Outing: Liebe Crowd, ich habe ein Problem. Und zwar mit euch. Warum? – Die Krautreporter wurden stellvertretend für vieles bejubelt (nachdem sie auch selbst ordentlich geprügelt wurden). Sie haben Taschengeld gesammelt, um ein Medium zu starten. Ein wirklich vernünftiges. Mit guten Stories, guter Recherche und einer großen Portion Unabhängigkeit. Und zwar richtig viel Taschengeld.

crowd

Ich finde das gut, habe meine Mitgliedschaft bezahlt und bin mal gespannt auf das, was da kommt. Aber trotzdem stellt sich mir eine Frage: Was habt ihr vorher gemacht? Und was wird jetzt anders? Es geht bei dieser Frage nicht um die Krautreporter an sich und schon gar nicht um die Personen dahinter.
Nur: Wer bisher keine guten Stories machen konnte (obwohl er sie immer machen wollte) – inwiefern hilft dabei Taschengeld? Und wie genau unterscheidet sich Clickhunting von Content der den User interessiert (abgesehen davon, dass man vielleicht auf Slideshows verzichtet)? Und wenn die Inhalte die User wirklich interessieren, warum finden sie dann ihren Platz nicht in den „großen Medien“?
Nicht falsch verstehen: Erstens fällt mir auch wenig besseres ein. Zweitens halte auch ich viel von unzensuriertem Selfpublishing aller Art. Drittens habe ich schon oft in Crowdfunding-Projekte investiert. Und viertens wünsche ich mir auch Medien und Inhalte, die mich wirklich interessieren.
Aber ich glaube nicht daran, dass das kollektive „da fällt uns nichts ein“ der Verleger durch die Erweiterung des Kreises derjenigen, denen nichts einfällt, beseitigt werden kann. Ich halte den Versuch, Prinzipien zu verkaufen, nicht für besonders zielführend. Das ist jetzt nicht moralisch gemeint. Aber Unabhängigkeit oder Qualität sind toll für denjenigen, der unabhängig ist oder gern Qualität produziert, weniger für denjenigen, der die Unabhängigkeit anderer finanziert. Der Leser hat – sagt zumindest mein Bauchgefühl – zuwenig davon.
Anstelle von Prinzipien sind es immer noch Produkte, die verkauft werden können. Produkte sind Inhalt und ein Image, können eine Haltung rüberbringen und sind nützlich. – Weil sie sich an der Welt des Konsumenten orientieren, und nicht an der des Produzenten.
Noch mal: Ich hoffe auf viele tolle Stories, neue Erkenntnisse und neue Geschäftsmodelle und wünsche allen das beste. Aber ein bisschen kommt mir der Crowdjournalismus so vor, als würden Medienmacher jetzt das auf die Spitze treiben, wofür Hersteller von Konsumgütern schon lange gebashed werden: das Produkt auf den Produzenten ausrichten, und nicht auf den Konsumenten.

Klar bietet das, was ich hier gesagt habe, viele Angriffspunkte. Aber ich lass es trotzdem mal so stehen.

Michael Hafner

Michael Hafner

Technologiehistoriker, Comic-Verleger, Datenanalyst

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