Daten liefern Antworten. Daten helfen zu besseren Entscheidungen. Daten lösen Probleme. Das ist das Credo jener, die evidenzbasierte Entscheidungen wollen, die Daten das Primat über Emotion und Vorlieben einräumen möchten und die Daten als Königsweg zur unverstellten Rationalität betrachten.
Diese Einstellung ist nicht selten.
Und sie ist in etwa so absurd wie die Vorstellung, Probleme und Folgen des Klimawandels wären mit der Erfindung des Thermometers ausreichend bekämpft.
Daten können vieles sein. In einer technisierten, heute vorherrschenden Perspektive, sind es zähl- und sortierbare Platzhalter, die auf etwas anderes verweisen. Daten unterscheiden sich nicht wesentlich von Alphabeten: Sie bedürfen einer Konvention, um Bedeutung zu schaffen. Sie sind auf Beziehungen angewiesen, um Sinn zu ergeben. Sie können beliebig kombiniert werden, ergeben dann aber nicht unbedingt konkrete Aussagen.
Manchmal vermutet man in Daten insofern eine Sonderstellung, als sie besonders klare, eindeutige und repräsentative Repräsentanten ihrer Art sein sollen. Diese Sonderstellung wird ihnen aber vor allem deshalb zuteil, weil sie ihnen eingeräumt wird. Das Konzept ist zirkulär – aber geschlossene Kreisläufe erhalten sich schließlich leichter selbst und sind weniger anfällig für Störungen von außen.
Thermometer sind nun auch besonders repräsentative Repräsentanten ihrer Art (wenn wir ihre digitalen Erscheinungsbilder mal außer Acht lassen). Säulen steigen, Zeiger schlagen aus – das sind eindeutige Datenvisualisierungen, die uns zeigen: Es wird mehr. Die Temperatur steigt. Wir können das eindeutig ablesen, wir haben Interpretationsmöglichkeiten, die keiner Übersetzung, keines Thesaurus bedürfen, die noch leichter verständlich und deutlicher ist, als unsere Alltagssprache.
Das Thermometer hat alle Daten-, Repräsentations- und Relationsprobleme rund um Temperaturfragen gelöst, verschiedene Skalen und Kalibrierungen funktionieren nach dem gleichen Muster.
Ein simples Säulenthermometer kann als Sinnbild für komplexe Datenaggregierungen und -visualisierungen gelten und hat vieles auf den Punkt gebracht. Die Existenz des Thermometers aber hat noch nichts dazu beigetragen, Probleme und Folgen des Klimawandels zu lösen. Sie wird es auch nicht tun.
Vielleicht ist die Existenz des Thermometers unverzichtbar, um Probleme und Folgen des Klimawandels feststellen, beschreiben und kategorisieren zu können. Das wäre viel. Aber warum tun wir so, als könnten wir von anderen Daten und ihren Erscheinungsformen so leicht so viel mehr erwarten?