Arthur Rimbaud hätte man ja eher als coolen Hund in Erinnerung. Poesie, Eskapaden, dann die Ausstiegsszenarien Seefahrt und Afrika und ein paar wilde Jahre als Draufgänger, die dann halt letztlich das Leben kosten. Nach einer Reise nach Harar habe ich seine Briefe auf Harar, Djibouti und Aden gelesen, und die zeichnen ein deutlich anderes Bild.
In seinen ersten Reisejahren war Rimbaud der neugierige Unternehmer, der alles mögliche lernen und ausprobieren wollte. Das lassen seine Buchbestellungen vermuten: Rimbaud ließ sich meterweise Fachliteratur schicken – über Landwirtschaft, Viehzucht, Eisenbahnbau und diverse andere technische Fächer.
In die Pläne mischt sich bald Enttäuschung. Die Bezahlung ist mau, die Geschäfte sind wenig aufregend, Chefs und Geschäftspartner halten ihre Versprechen nicht, alles dauert. Schon nach relativ kurzer Zeit redet Rimbaud von Rückkehr: Sein Ziel ist es, Geld zu sparen, es anzulegen und auch in Europa von den Zinsen leben zu können. Vom draufgängerischen Aussteiger keine Spur. Rimbaud beklagt auch, dass er sein Geld weder anlegen noch jemandem anvertrauen kann – es trägt es immer bei sich in seinem Gürtel und klagt über Hüftschmerzen. Der Geldgürtel aus Goldfrancs wiegt acht Kilo.
Dann mischen sich rassistische Töne über die dummen und faulen Einheimischen in die Briefe; Rimbaud scheint sich mit allen zu überwerfen: Mit den Menschen vor Ort, seinen Geschäftspartnern, den Kunden und den Behörden. Menelik II., Kaiser von Äthiopien, überlistet ihn bei einem Waffendeal und zwingt ihn, ihm die ganze Lieferung zum Vorteilspreis zu überlassen. Nach dem Tod eines seiner Geschäftspartner kassieren dessen Gläubiger angebliche Schulden bei Rimbaud doppelt. Die französischen Behörden verweigern ihm neuerliche Lizenzen für den Waffenhandel. Eine Geschäftsidee, eine neue Maultiersorte zu züchten kommt nicht vom Fleck; Rimbaud sucht zwar per Brief im Nahen Osten nach den besten Eseln, viel weiter entwickelt sich die Idee aber offenbar nicht.
Dann beginnen die Schmerzen in den Beinen. Rimbaud lässt sich Kompressionsstrümpfe schicken, besucht verschiedene Ärzte, es hilft nichts. So sehr er auch über die Hitze gejammert hat, so abschreckend bleibt dennoch die Vorstellung, ins kalte Europa zurückzukehren. Dann wagt er doch die Überfahrt.
In Marseille wird ihm ein Bein abgenommen. Zu den Schmerzen gesellt sich die Angst: Wie wird er einbeinig leben können? Und gilt der Rückkehrer der französischen Armee als Deserteur, wird ihn das Militär verfolgen.
Rimbaud besucht seine Familie für einige Wochen, hadert mit den Ärzten, schlechter Wundheilung und dem Holzbein und stirbt einige Monate nach der Amputation in Marseille.