Ein Lesegenuss ist es ehrlich gesagt nicht gerade. Frühe Prosa ist nun mal sehr prosaisch, da werden Schicksale ganzer Generationen mit viel Blut in zwei knappen Sätzen besiegelt. Sehr unterschiedliche Ansichten darüber, was nun wichtig und erwähnenswert sei, machen die Storys etwas schwer zugänglich. Das gilt auch für die Edda des Snorri Sturluson, eine Neu-, Kurz- und Prosafassung einiger Edda-Lieder.
Diese Fassung hat zudem gar nicht den Anspruch, Geschichten zu erzählen, sie ist vielmehr ein Poetik-Lehrbuch, das poetische Synonyme erklärt. Die wiederum sind dann allerdings storybasiert; mit Logik kommt man bei ihrer Entschlüsselung nicht weit. – „Granis Last“ etwa ist ein Synonym für Gold, weil Grani Sigurds Pferd war (der aus dem Nibelungenlied), auf das er den Schatz des Drachen Fafnir packte, nachdem er ihn erschlagen hatte.
Das spannendste am Buch ist der Prolog. Der Text entstand im 13. Jahrhundert – und auch damals herrschte offenbar der Drang, die eigene kleine Welt mit den großen Megatrends dort draußen zu verbinden. So schlägt Sturluson ganz salopp und kühn in wenigen Absätzen eine Brücke von Island nach Troja. Thor wird so zu einem Türken, vielleicht sogar zu einem alternativen Namen für Hektor, die Edda wird zu einem Spin Off von Ilias und Odyssee – und wer das nicht glaubt, der möge mal darüber nachdenken, ob es denn Zufall sein kann, das Asen (also der Sammelname für die nordische Göttergang) so ähnlich klingt wie Asiaten.
Diese Anschauung dürfte sich in der Literaturgeschichte aber nicht ganz durchgesetzt haben.