Bislang fernseherlose Mitmenschen bekamen in den vergangenen Wochen ein wenig überraschende Post vom ORF: Sie hätten sich zur Zahlung der ab Jahresbeginn zu zahlenden neuen Haushaltsabgabe zu registrieren, und zwar flott. Mangelnde Mitarbeit bei der Rekrutierung von ZahlerInnen würde mit der Verdopplung der Zahllast geahndet. Wer dieser Registrierungspflicht nachkam, erhielt in den letzten Tagen Post zur Einrichtung einer Bankverbindung und wurde auf der Rückseite dieses Schreibens darüber aufgeklärt, was der ORF mit dem nunmehrigen Geldsegen zu tun gedenke.
Dort liest man unter anderem: „Wofür wird der ORF-Beitrag verwendet? (…) das ORF.at-Netzwerk (…) ORF Topos, Social Media-Profile (…) bald noch mehr Online-Angebote.“
Das wäre nicht überraschend, hätte die Entscheidung für die Haushaltsabgabe nicht eine viel diskutierte Vorgeschichte. Eine, in deren Rahmen ein Jubelpost auf orf.at zum 25 jährigen Bestehen der Seite das staunende Publikum belehrt hatte: „Damals wie auch im Sommer 2022 sind ‚Blaue‘ und ‚Gelbe Seite‘, also sport.ORF.at, nicht gebührenfinanziert“. Daraus strickten ORF-ApologetInnen wilde und wirre Legenden vom digital erfolgreichen ORF, der eben verstanden habe, wie die digitale Welt funktioniere, und dem eine Armada unfähiger Zeitungsmannschaften der Erfolg neide. Der ORF war weder das erste noch vom Fleck weg das erfolgreichste Onlinemedium, er war nur das, das sich keine Gedanken über Monetarisierung oder Kannibalisierung anderer Kanäle machen musste.
Diese Ausgangssituation und eine Vielfalt an Inhalten aus Fernsehen und Radio, mit denen Online quersubventioniert werden konnten, verschaffte dem Öffentlich-Rechtlichen eine komfortable Position. Eine, aus der ihm jetzt noch mehr Möglichkeiten gegeben werden, online first und only zu produzieren.
Die schlechte Situation der privaten Medien ist nur teilweise auf das ohne weitere Bezahlschranke verfügbare ORF-Angebot zurückzuführen. Natürlich schadet es einem Markt, wenn der größte Player völlig andere Bedingungen hat, aber gleichzeitig wie ein normaler Wettbewerber um Leser und Werbung konkurriert. Noch mehr schadet der Heiligenschein, mit dem manchen MitarbeiterInnen und FreundInnen ihre Arbeit umgeben, und die insinuiert, nur ÖR-Information wäre wertvolle und interessenfreie Information. Gut nachgewiesene Korruption in den mittleren Etagen lässt anderes vermuten; der Umgang mit diese Korruptionsfällen (betroffene Mitarbeiter wurden an andere lukrativ klingende Positionen versetzt) wurde zu einem eigenen Problem. Die aktuelle Imagekampagne („Ich setze mich für … ein“) ist eine eigene Gattung absurden Theaters, etwa wenn vermittelt werden soll, dass sich ORF-Redakteure qua ihrer ORF-heit für Information ohne Grenzen einsetzen. Da gehört schon mehr dazu.
Manche Verleger machen sich umgekehrt Hoffnungen, dass die Neuregelungen für den ORF, die als Einschränkungen verkauft werden, LeserInnen von orf.at vergraulen werden. Die einzige Beschränkung ist allerdings eine Obergrenze für Textmeldungen auf der Hauptseite. Das wird wettgemacht durch Video- und Audiobeiträge, online first und only Beiträge, und wie man liest, eine Reihe neuer Online-Angebote. Flankiert wird das ganze von einer österreichweit flächendeckenden Werbeaktion, die den ORF nichts kostet. Denn neben der üblichen Werbung erhält jeder Haushalt mehrere Briefe, in denen orf.at angepriesen und auf neue Online-Angebote hingewiesen wird. Das fällt unter Kosten für die EIntreibung der Haushaltsabgabe – und die muss der ORF nicht selbst tragen. Die wurden einfach aufgeschlagen: Der ORF will 683 Millionen Budget aus der Haushaltsabgabe, die Haushalte zahlen aber 722 Millionen Euro – um auch noch die Kosten für die Eintreibung abzudecken.
Statt einer Einschränkung gibt es also nicht nur neue Möglichkeiten für den ORF, sondern auch noch eine kostenlose (was ja letztlich immer heißt: von den Kunden bezahlte) Werbekampagne, die den ORF-Onlineinhalten noch einmal ganz neue Startvorteile verschaffen wird.
Das ist dann schon ein wenig zermürbend.