Hannah Arendt, Die Freiheit, frei zu sein

HAnnah Arendt Freiheit

Hannah Arendt, Die Freiheit, frei zu sein

Dieser Vortrag braucht keine 50 Seiten, um die blinden Flecken von Revolutionen und Revolutionären zu beleuchten.

Revolution, keine Frage, klar doch.
Revolution ist der Popstar, der auf keiner Party fehlen darf. Stromlinienförmige Businessmenschen preisen Revolutionen an, perlenkettentragende Politjugend inszeniert Mitarbeit in der Partei als friedliche Revolution, nur Linke tun sich manchmal schwer mit der Revolution und dem revolutionären Subjekt, denn warum brennt noch nicht alles?
Revolution war ursprünglich die Bewegung der Himmelskörper. Seine politische Taufe erlebte der Begriff als Bezeichnung für die Restitution des englischen Königshauses nach Oliver Cromwell.

Mit diesen historischen Anmerkungen rückt Hannah Arendt in „Die Freiheit, frei zu sein“ das Revolutionspathos erst einmal zurecht. Revolutionen sind ein fragwürdiger Weg zu Veränderung. Das sagt eine Denkerin, die keineswegs bewahrend oder konsensorientiert war, die sich eher wenig Gedanken darüber machte, ob sie wo aneckte. Revolutionen sind ein schlechtes Mittel, Freiheit herzustellen, weil sie auf Gewalt beruhen. Gewalt ist, im Gegensatz zu Stärke (wie Arendt in „Vita Aktiva“ ausführt) ein probates Mittel gegen Macht. Gewalt ist aber Terror, und der „weiht Revolutionen dem Untergang oder deformiert sie so entscheidend, dass sie in Tyrannei und Despotismus abgleiten“. Die Macht zu übernehmen, ist nicht schwer. Eine alternative Ordnung aufzubauen, die Freiheit gewährleistet, dagegen sehr wohl.

Wie weit Revolutionen trotzdem gelingen, hängt unter anderem davon ab, wieviuel Freiheit auf dem Spiel steht und um welche Arten von Freiheit es geht. Arendt unterscheidet dabei die französische Revolution (die zu Terror führte) von der amerikanischen, die besser gelang. Die französischen Revolutionäre konnten dem König zwar den Kopf abschlagen, hatten danach aber noch immer nichts zu essen – oder einen Grundbesitzer, der sie strenger regierte, als es der König jemals gekonnt hätte.
Die politische Freiheit änderte nichts an der ökonomischen Unfreiheit.
Die amerikanische Revolution verlief im Gegensatz dazu geradezu erfolgreich – allerdings nicht etwa, weil die amerikanische Gesellschaft so viel freier und fairer gewesen wäre. Die ökonomisch Unfreien waren nur versteckter. Sie waren nicht Teil der Revolution. Es waren Sklaven.

Politische Freiheit, sogar vorher schon politisches Interesse brauchen wirtschaftliche Grundlagen. Wo Freiheit scheinbar leicht vonstatten geht, das ist zumindest der Gedanke, den ich aus diesem Vortrag mitnehme, müssen wir die Sklaven suchen, die Ausgeschlossenen. Das sind möglicherweise die, auf deren Kosten Freiheit geht, möglicherweise die, die Freiheit ermöglichen und immer die, um die es trotz allem in der Revolution gar nicht geht. Sie sind beispielsweise die Ordnung, die den Alltag am laufend hält, während irgendwelche Dynamiker fröhlich von Revolutionen phantasieren.

Michael Hafner

Michael Hafner

Technologiehistoriker, Comic-Verleger, Datenanalyst

Sonst noch neu

Oswald Wiener, Probleme der Künstlichen Intelligenz

Maschinen gelten möglicherweise nur als intelligent, weil wir uns selbst für intelligent halten. Vielleicht ist auch menschliche Intelligenz aber nur ein flacher Formalismus. Ein Ausweg kann die Konzentration auf Emergenz statt Intelligenz sein. Aber auch die Frage, ob in einem Prozess Neues entsteht, ist nicht trivial.

Onur Erdur, Schule des Südens

Biografische Wurzeln in Nordafrika als prägende Elemente postmoderner Theorie – und als Ausgangspunkt zu einer Verteidigung von Postmoderne und Dekonstruktion gegen mutwillige Missverständnisse und akrobatische Fehlinterpretationen.

Medienfinanzierung: Last Exit Non Profit

Non Profit-Journalismus entwickelt sich als neuer Sektor auch in Österreich, Stiftungen unterstützen in der Finanzierung. Hört man den Protagonisten zu, ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, dass hier abgehobener, belehrender Journalismus gemacht wird, den man eben lieber macht, als ihn zu lesen.

Yuval Noah Harari, Nexus

Prinzip Wurstmaschine: Harari verarbeitet vieles in dem Bemühen, leichtfassliche und „originelle“ Einsichten zu formulieren und wirkt dabei fallweise wie ein geheimwissenschaftlicher Esoteriker. Auch bei Extrawurst weiß man nicht, was alles drin ist – aber das Ergebnis schmeckt vielen.

Meine Bücher