Ich war der zweite Ewok von links

Ich war der zweite Ewok von links

Viele Stargäste auf Comic Cons kennt niemand. Ihre Karrieren, die irgendwann mal große Namen gestreift haben, sind schöne Allegorien für eine zeitgemäße Suche nach Echtheit.

Manchmal steht man ratlos vor der Ankündigung, ist sich nicht sicher, ob man den Namen schon mal wo gehört hat, ob man ihn gehört haben sollte. Manchmal fragt man sich, ob das jetzt eine popkulturelle Bildungslücke ist oder erstes Anzeichen altersbedingter Vergesslichkeit.
Von vielen Stars, die auf Comic Cons unterschiedlicher Größenordnungen aufgeboten werden, haben auch Aficionados noch nie gehört. Ich habe in punkto Entertainment ziemlich viel verpasst und bin deshalb eher zurückhaltend, wenn ich jemanden nicht kenne. Seit ich Comics produziere, war ich auch als Verleger auf Cons, zu denen Chuck Norris, Carl Weathers (Apollo Crew) oder Robert Englund (zugegeben, musste ich schon googeln: Freddy Krueger) als Stargäste eingeladen waren. Die meisten Gäste waren aber Seriennebendarsteller, deren Charaktere vor kurzem gestorben waren und jetzt noch die Gelegenheit nutzen konnten, ihre Bekanntheit hochzuhalten. Für andere sind Con-Auftritte vielleicht der einzige Weg zur Berühmtheit (und auch der ist leider nicht nachhaltig). Ich habe mir seinen Namen nicht gemerkt, aber eine Zeitlang tingelte ein Nebendarsteller von “The Walking Dead“ durch die Cons. Seine Ansage: “Ich war 30 Zombies“ – 30 vielleicht zehnsekündige Auftritte, in denen seinem Alter Ego der Schädel gespalten, abgehackt oder von Werkzeug durchbohrt wurde, begründeten allerdings auch keine dauerhafte Karriere.

Bei kleineren Cons ist das Stargäste-Aufgebot manchmal regelrecht erstaunlich. Eine kleine Convention, die vergangenes Jahr zum ersten Mal stattfand, hatte gleich vier Stargäste aus Star Wars zu bieten. Pam Rose, Femi Taylor, Brian Wheeler und Alan Austen wirkten alle – in nun ja, kleineren Rollen – an dem großen Science Fiction Spektakel mit. Femi Taylor war eine Alien-Tänzerin, die von einem Monster gefressen wurde, Pam Rose war für einige Augenblicke als Alien in der Küche zu sehen. Alan Austen war einer der zahlreichen Stormtrooper und immerhin in einigen Szenen auch Körperdouble für Harrison Ford und der kleingewachsene Brian Wheeler verkörperte einen kleinwüchsigen Ewok im Ganzkörper-Plüschkostüm. Alle zusammen bringen es wohl auf eine Minute Leinwandzeit, von keinem war das Gesicht zu sehen. Auch danach war keinem eine größere Karriere beschieden.

Wer jetzt glaubt, dass hier ein hartnäckig historisch interessierter Fan Raritäten ausgegraben hat, der irrt. Alle vier werden, wie viele andere Kleindarsteller und Statisten großer Produktionen auch, von eigenen Agenturen vermarktet, die darauf spezialisiert sind, Stars verschiedener Preisklassen und Events verschiedener Größenklassen zu bringen.
Für die Stars ist das in der Regel ein Groschengeschäft, und manchmal braucht man wohl auch ein gesundes, gestärktes und geerdetes Selbstbewusstsein. An manchen Wochenenden bittet kein einziger Fan um ein Autogramm, während der andere, etwas teurere Stargast, von Fans und Groupies förmlich belagert wird.
Pam Rose und Alan Austen reden manchmal auch über ihr Stardasein – es klingt nach einer abwechslungsreichen Alternative zum ruhigen Großelterndasein, nach Freude an kostenlosen Reisen und nach durchaus immer noch ein wenig Lust, immer wieder mit neuen und jungen Menschen ins Gespräch zu kommen.

Auch Stars haben also ihre eigene Klassengesellschaft. Sind sie dann nur sinnloser Aufputz, der niemanden interessiert? Mitnichten. Auch die kleinen Nebendarsteller waren schließlich einige Zeit am Set – und sind so begehrte Gäste in Panels, Talks und für Interviews. Auch wenn sie nur am Rande dabei waren, sind sie doch Zeitzeugen, auch wenn sie nicht alle Geschichten selbst erlebt haben, haben sie sie doch aus zweiter Hand gehört – und außerdem sind sie ein günstiger Weg, große Brands und Namen mit dem eigenen Event verbinden zu können.
Stargäste, die keine Stars sind, sind eine schöne Illustration für die Suche nach dem Echten, nach dem authentischen Touch, nach der bewegenden Story, nach etwas, das Autorität und Ausstrahlung verleiht. Dabei, das ist ein kleiner Widerspruch, muss und will man dann allerdings gar nicht viel tiefer graben. Es muss nicht der große Name sein – es reicht eine Verbindung zum großen Namen. Es zählt die große Geste – was auch immer sie eigentlich sagen wollte. Und es ist geradezu eine eigene Kunstsparte, ein stargerechtes Leben als unbekannter Star zu führen. UntergrundkünstlerInnen, die Zeug machen, das niemand kennt, würde ja wirklich niemand sehen wollen. – Wobei manche genau deshalb auf Cons gehen, um genau diese Menschen zu suchen ….

 

Michael Hafner

Michael Hafner

Technologiehistoriker, Comic-Verleger, Datenanalyst

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