Eine Politikerin sagt dummes Zeug über Afrika. Andere Politiker empören sich und sagen ebenfalls viel dummes Zeug. Man kann versuchen, dem ein paar Argumente entgegenzuhalten. Ich habe das auch gemacht, man landet damit aber gleich auf dünnem Eis.
Oder man kann afrikanische Schriftsteller, Intellektuelle oder Geschäftsleute selbst sprechen lassen. Den Anfang macht Moses Isegawa, der 1990 auf Einladung einer NGO nach Amsterdam kam, um beim Spendenkeilen zu helfen. Deren Marketingmaterial war seine erste Begegnung mit dem Afrikabild in Europa. In seinem Roman „Abessinische Chroniken“ beschreibt er das ziemlich deutlich:
“Internationale Bettelei, Imageplünderung und nekrophile Ausbeutung in ihrer schlimmsten Form warteten auf meinen Genehmigungsstempel. Man legte mir Bilder von Kindern vor, die mehr tot als lebendig und deren Augen, Münder, Nasenlöcher und Kleider dicht von Fliegen besetzt waren. Ihre Hilfeschreie schwebten wie eine dämonische Aura über ihren Köpfen und nahmen mir jede Lust auf meine neue Aufgabe. Ich zitterte und sehnte mich nach einem Schnaps.
(…)
Die Rohheit ihrer Propaganda sprach Bände, was ihre Organisation und deren Zielgruppe anbelangte. Offensichtlich befand ich mich unter weit kaltblütigeren Schurken, als ich einer war, und würde mein ganzes Wissen revidieren oder über Bord werfen müssen.
(…)
Doch die Kartelle und die Haie der Entwicklungshilfe-Industrie waren zu weit gegangen und standen mit dem Rücken zur Wand. All die Leichen, all das fliegenumlagerte Gebettel und der pathetische Appell an ihren schwankenden Edelmut hatten die gleichgültigen Reichen noch gleichgültiger gemacht. Einige der Haie hatten ihren Fehler inzwischen eingesehen und versuchten nun, ihren nekrophilen Aktivitäten und ihrer fliegenumschwärmten Geldschneiderei einen humanen Touch zu geben.
(…)
Was mir den Rest gegeben hatte, war das Foto einer ausgemergelten jungen Frau, über dem in riesigen Lettern ein schriller Spendenaufruf stand. Sie lag auf einer Matte, das ausgezehrte Gesicht nach oben gewandt, die Augen in verschleimten Höhlen schwimmend (…) Das Geld, das dieser Kadaver einbrachte, würde tröpfchenweise nach Afrika gelangen und im Rahmen internationaler Schuldentildung postwendend wieder zurückfließen. Der afrikanische Kontinent war wie Tante Lwandeka in ihren letzten Tagen: Das wenige an Nahrung, das oben hineinging, kam unten sofort wieder heraus. (…) Es waren im Grund keine bösen Menschen, zumindest nicht verglichen mit den Mördern, die bei uns frei herumliefen, aber es war schlechte Gesellschaft, in der ich mich keinen Tag länger bewegen mochte.“
Isegawa verließ die NGO nach wenigen Tagen, lebte einige Jahre als U-Boot in den Niederlanden, war dann eine Zeitlang ein gefeierter Schriftsteller und kehrte einige Jahre später nach Uganda zurück. Einige seiner Bücher sind auch auf deutsch erschienen; alle sind lesenswert.
PS: Um Selbstbilder afrikanischer Geschäftsleute geht es auch in „The Big Boda Boda Book“ am Beispiel der Motorradtaxis Ugandas, einer Branche, die praktische das ganze Land trägt.