Haben wir jetzt schon diese Post Corona Zeit? Sind die Wiederauferstehung von Bauhaus, Möbelhaus und Döblinger Drogenpartys die Vorboten dieser Zeit des Neuanfangs und der Besinnung, deren Herold das Virus als Rückkehrer aus der Zukunft war? Beginnt im Ansturm auf Elektrohändler und mit der Diskussion über Autokaufprämien die Gestaltung des postkapitalistischen Zeitalters?
Werden wir jetzt Zeugen dieser Ära, in der kein Stein auf dem anderen bleibt, in der ein Virus, so klein, dass man es gar nicht sehen kann, die Welt durcheinanderbringt und mehr bewirkt als Hunderttausende Fridays for Future-DemonstrantInnen in allen Erdteilen, als machtgierige Dikatoren hinter ihren Zäunen und mit ihren Zöllen?
Können wir uns mit ruhigem Gewissen in dieses Zeitalter stürzen, wenn wir noch gar nicht wissen, ob das Virus nicht doch aus chinesischen Laboratorien entkommen ist oder gar freigesetzt wurde?
Und soll es nun ein Kult der Fledermaus, des Schuppentiers oder doch des Mobilfunkmasten werden?
Dutzende Lifestyle-ProphetInnen und InfluencerInnen haben uns ein neues Zeitalter versprochen, in dem der Neoliberalismus, den man schon hunderte Male besiegt hat, nun aber wirklich sein Ende finden wird, in dem turbokapitalistische Reißwölfe nichts mehr zum Schreddern finden, in dem Rassisten angesichts der Bedrohung von außen endlich einen gemeinsamen Feind und damit zueinander finden und sich auf das Gemeinsame besinnen. Eine Zeit des Innehaltens und der Besinnung haben sie heraufbeschworen, in der Konsum einen neuen Stellenwert bekommen wird – und schließlich eine neue Normalität.
In Europa leben wir noch keine zwei Monate mit der konkreten Corona-Krise und haben doch schon einiges durchlaufen.
Gemeinsam mit den Zusammenhalten-Euphorikern machten die “Grundeinkommen jetzt“-Rufer die erste Welle.
Fast zeitgleich kamen die, die das Fehlen der Schuldenbremse und hohe Staatsquoten feierten.
Dann kamen Arbeitsplatzgarantie- und Mindestlohnfighter.
Dann wurde es ein wenig vage, es kamen die Propheten, die mit weisem Gestus erklärten, das „danach“ alles „anders“ würde Die eine Chance sahen.
Die Entschleunigung genossen.
Die Warnungen aus der Zukunft sahen, oder die Stunde des Kommunismus.
Die jetzt Solidarität predigen.
Oder Punkte-Pläne mit großen Überschriften erstellen.
Und trotz aller Unsicherheit, nie dagewesenen Zeiten, trotz der Einzigartigkeit, von der sie noch gestern predigten, heute genau wissen, was zu tun ist.
Absurde Mischung? Ja. Aber das alles sind Zitate aus loser Beobachtung. Ich habe den Müll nicht mal systematisch gesammelt (nur die ersten paar Tage).
Es sind Dinge, die Publizisten, Forscher, Politiker und Expolitiker in den Raum stellen, mit denen sie schnell und planlos auf einen neuen Zug aufspringen.
Und während man noch staunt, was hier wieder für Müll an einem vorbeirauscht, kümmern sie sich schon wieder um das nächste Thema, bearbeite sie die nächste Baustelle und sondern die nächste Weisheit ab. Manche sieht man dann noch, wie sie aus ihre Versteck amüsiert zusehen, wie andere versuchen, Sinn in ihren Fragmente zu finden. Oft haben sie aber auch selbst schon vergessen, was sie eigentlich gesagt haben.
Allesamt sind sie die Speersitzen einer neuen Kulturtechnik unserer Zeit. Es ist die Kulturtechnik des Behauptens. Behauptungen ersetzen Argumente, Wissen und Nachdenklichkeit.
Entschlossen Behauptende sind eine natürliche Bedrohung der Nachdenklichen, deren Einwände im Wirbel schöner neuer Wortfetzen untergehen.
Ein bunter Spaß, der vor allem in Ausnahmesituationen blüht? Andere Umstände befördern das Behaupten vielleicht besonders – aber der Verzicht auf Argumente, eigentlich auf einfachste Grundzüge von Logik, ist schon lange keine Ausnahme mehr.
Und das ist nicht nur schlecht für alle, die gern Argumente vorbringen würden. Es lässt auch alle allein, die eigentlich gern verstehen würden.