Wer soll das bezahlen? Und wofür soll hier jemand zahlen? Ein paar Überlegungen zu Medien und Umsätzen, nach einer Diskussion mit Dalibor Balsinek, Chefredakteur des Magazins Lidove Noviny, den ich bei einem Vortrag für Kommunikationsleute in Prag kennengelernt habe, und in Vorbereitung auf meinen Micropayment-Slot beim Digital Media Day des Verbands der Österreichischen Zeitungen.
Balsinek stellt sich die Frage, ob Printmedien überleben werden. Online ist gratis, online hat keine Geschäftsmodelle, online kostet Geld, online nimmt Print Ressourcen – und zunehmend auch Kapital weg: In der Hoffnung, dass sich das doch irgendwann auszahlen muss, stecken Medienunternehmen mehr und mehr Aufwand in die (kostenlosen) Onlineausgaben – teilweise zu Lasten der Printausgaben, die sich dann noch schlechter verkaufen.
Lösungen? Stattdessen nur vage Hoffnungen: Vielleicht kehren Menschen wieder zu Papiermedien zurück, wenn ihnen der dauernde Informationsfluss in Onlinemedien auf die Nerven geht, wenn sie den Rhythmus, den Papiermedien vorgeben, wieder zu schätzen lernen, meint Balsinek.
Ich teile dies Hoffnung nicht. Ich glaube auch nicht, dass wir generell jemals Paid Content-Modelle finden werden – zumindest nicht in der Richtung, in der wir heute suchen.
Warum?
- Ich bezweifle, dass wir jemals für Content bezahlt haben. Der Content hat immer nur einen verschwindend geringen Teil in der Entscheidung, ein Magazin oder eine Zeitung zu kaufen, ausgemacht. Wir haben lange aus Gewohnheit gekauft, und wir haben nicht dafür bezahlt, etwas zu exklusiv vor allen anderen zu bekommen – es hätte oft ja gereicht, wenn uns jemand die Neuigkeiten erzählt hätte. Wir bezahlen eher für Bequemlichkeit – und für Angreifbares. Wir zahlen für Papier und dafür, etwas nutzen zu können, wie es uns passt, unabhängig von Zeit, Ort und Umgebung. – Mein Magazin begleitet mich überall hin. Wenn wir für Papier und Information extra zahlen müssten, würde das funktionieren? – Warum stellen wir uns dann vor, wir sollten für Netzwerkzugang und Netzwerkinhalt extra zahlen?
- Auch für Musik wird nicht bezahlt, ist ein beliebtes Argument. Ich bezweifle die Gültigkeit dieses Arguments. Persönlich kaufe ich erst wieder Musik (nach einer zehnjährigen fast vollständigen Pause), seit Downloads DRM-frei mit vernünftigen Paymentmethoden funktionieren, und seit die Endgeräte auch die Nutzung des Produkts erlauben. Wenn ich meinen Download sicher auf Notebook, iPhone und iPod verwenden kann, dann ist der eine Euro gut investiert – besser als bei einer CD, die mir im Weg rumliegt, die ich verliere, und die ich erst rippen muss, um sie in vollem Umfang nutzen zu können. Solche nutzungsorientierten Szenarien fehlen mir bei Paid-Content Überlegungen. Welchen Nutzen haben User von Onlinemedien? Wofür sollen sie eigentlich zahlen?
- Wer der Verlockung der billigen Produktion erliegt, produziert eben billigen Kram – und das merkt man. Geringe Produktions- und Distributionskosten sind nicht die besten Voraussetzungen, um produktiv in das Onlinebusiness einzusteigen. Me-too-Produkte waren noch nie erfolgreich. Welchen Wert liefern Onlinemedien, welche Probleme lösen sie, und was davon ist so wichtig, dass es einen entscheidenden Menge an Usern wert ist, Geld dafür auszugeben? Zielgruppengenaue, kontextsensitive anytime & anywhere-Information als eine der Wert produzierenden Ideen ist bis jetzt eher Zukunftsmusik geblieben.
- Wie soll bezahlt werden? – Balsineks Argument, dass Micropayment-Methoden noch nicht ausgereift genug seien, um Pay-per-View-Modelle zu ermöglichen, teile ich nicht. Die Userexperience passt – vielleicht muss an den Fees und Commissions noch gearbeitet werden, aber grundsätzlich ist alles billable. Es dauert gerade mal eine Minute, um ein Produkt mit Paypal, Click&Buy oder Allopass kostenpflichtig zu machen. Die Frage ist nur: Welches Produkt?
- Eine oft ignorierte Frage ist auch: Wer soll bezahlen? Wer hat etwas davon, dass Content verbreitet wird, dass User informiert sind? In der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Bloggern zeichnen sich neue Modelle ab. Unternehmen möchten Content bei Bloggern platzieren – und buchen das im Rahmen der Kampagnenplanung direkt oder über teilweise eigene Medienagenturen. – Mit oft erstaunlichem Preisgefälle: Rumänische Medienagenturen etwa lassen sich die Platzierung bei lokalen Top-Bloggern oft ein Vielfaches dessen kosten, was im deutschsprachigen Raum bezahlt wird. Das ist ein Indiz für ein weit verbreitetes Missverständnis: Medien verkaufen keine Inhalte, Medien betreiben Menschenhandel. Damit meine ich keine unterbezahlten Praktikanten und keine mit Mitte Dreisig noch immer erfolglosen Jungredakteure, sondern die Tatsache, dass Medien Menschen – ihre Leser – an Anzeigenkunden verkaufen. Die Leser haben davon nicht den geringsten Nutzen. Warum also, um die Frage nocheinmal zu stellen, sollten sie dafür zahlen, um in diesem Spiel mit von der Partie zu sein?
Der deutsche Medienriese Burda veröffentlichte unlängst neue Zahlen und verlautbar, den Turnaround geschafft zu haben: Burda macht mittlerweile im digitalen Business mehr Geld als im traditionellen: 604 Millionen Jahresumsatz (und ein Plus von 19%) im digitalen Bereich stehen 586 Millionen (und einem Minus von 3%) im traditionellen Business gegenüber. «Mit redaktionellen Geschäftsmodellen im Internet wird man wohl nicht wohlhabend, wenn man sich nur auf Anzeigenerlöse begrenzt», sagt Burda-Chef Paul Kallen dazu. Die Cashcows des Medienriesen: Die Partnerbörse Elite Partner, das Reiseportal Holiday Check und das Finanzportal Finanzen 100 (Xing gehört Burda im übrigen auch). – Alles Services, die redaktionellen Content als Beiwerk brauchen, ihn aber nicht als Produkt verkaufen. Den Usern verkaufen sie nutzen. Ob das ein wünschenswertes Licht auf die Medien der nächsten Generation wirft, bleibt offen. Es zeigt aber eine Richtung, in der ich eher nach Einnahmequellen suchen würde, als in rückwärts gerichteten Hoffnungen.