Rick Veitch, Can’t Get No

Rick Veitch, Can’t Get No

Wer keine Zeit mehr hat, manche Bücher nicht aus der Hand zu legen, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.

Can’t Get No ist einer der seltenen Glücksfälle von Erzählungen, die man nicht wirklich genau versteht, auch nicht verstehen kann und nicht verstehen möchte – sie ziehen einen als Leser trotzdem ganz unwiderstehlich in ihren Bann.
Worum geht es? Der Protagonist hat den wirklich permanenten Permanent-Marker erfunden, der in alle Ewigkeit hält und dem man nicht beikommen kann; er widersteht allen Entfernungsversuchen. Das macht den Stift bei Graffiti-Artists beliebt, bei der Stadt New York, in der die Story ihren Lauf nimmt, allerdings äußerst unbeliebt.
Das Unternehmen wird verklagt und steuert auf den Ruin zu. Der Protagonist geht erst mal einen trinken, lernt dabei zwei Frauen kennen, die, als er dann stockbetrunken auf ihrer Couch liegt, die Stifte entdecken, die er als anständiger Firmenchef eingesteckt hat.
Sie bemalen ihn am ganzen Körper wie einen tätowierten Südsee-Bewohner, auch im Gesicht.
Das ist natürlich den Versuchen, seine Firma zu retten, nicht förderlich. Und das führt zu einer rasanten Erzählung quer durch die USA, die noch dazu damit beginnt, dass gerade zwei Flugzeuge in die Türme des World Trade Center einschlagen.
Can’t Get No ist eine 9/11-Story, dann wieder doch nicht, eine Männer-auf-der -Suche-Story und ein surrealer Marsch durch amerikanische Geschichte, vor allem aber ein Buch, das man nicht aus der Hand legen möchte. Die Story ist zwar eine andere und auch ganz anders erzählt, aber beim Lesen erinnert Can’t Get No auch an Hector Oesterhelds Eternauta.
Dabei verzichtet Veitch eigentlich auf Text. Die Bilder werden zwar von einer Geschichte begleitet – es ist aber eher eine Art poetischer Fluss, der entlang der Zeichnungen läuft, manchmal dazu passt, manchmal weniger. Ich wollte das Buch in einem durchlesen und dann am liebsten gleich noch mal lesen, um auf die vielen anderen Ebenen zu achten, die mir beim ersten Mal entgangen sind.
Veitch veröffentlicht seine Comics im eigenen Sun Comics-Verlag; Can’t Get No wurde dann auch noch mal bei Vertigo Comics aufgelegt. In Österreich bekommt man Veitchs Bücher am besten bei Sebastian Broskwas Pictopia. Sebastian hat das Buch auch mir in die Hand gedrückt und wahrscheinlich werde ich jetzt noch viele weitere Veitch-Bücher kaufen müssen.

Michael Hafner

Michael Hafner

Daten- und Digitalisierungsexperte, Wissenschafts- und Technologiehistoriker, Informatiker und Journalist

Sonst noch neu

Yascha Mounk: Im Zeitalter der Identität

Klasse-, Rasse- oder Gender-Identitäten schaffen einen neuen verbohrten Essenzialismus, der Freiheit zu seinem Feindbild macht. Dazu gesellen sich viele halbphilosophische Missverständnisse.

Niall Ferguson: The Great Degeneration

Verantwortung statt Regulierung, bürgerliche Freiheit statt staatlicher Fürsorge. Fergusons Rezepte gegen Degeneration sind allerdings zwischen den Zeilen stark moralisch überladen.

Anu Bradford: Digital Empires

Der digitale Regulierungsgedanke der EU könnte sich durchsetzen, meint Bradford. Das Buch erschien allerdings vor Trumps Comeback.

Meine Bücher