Erst waren es Geheimdienste, vielleicht aber auch Komiker, dann Künstler, und jetzt schnöde Anwälte. Dieser Hintergrund des legendären Ibiza-Party der ehemaligen FPÖ-Granden Heinz Christian Sprache und Johann Gudenus empört anscheinend manche noch mehr.
Wären es doch bloß Geheimdienste gewesen, die ein tragfähiges Komplott geschmiedet hätten, um ein Land ins Chaos zu stürzen. Oder wenigstens Künstler, die von der Dynamik ihres Werks ein wenig überholt worden sind.
Aber Anwälte und Detektive, die versuchen, belastendes Material gegen jemanden zu sammeln? – Davon distanzieren sich Journalistinnen und Journalisten, das sind keine journalistischen Methoden, klingt es aus ziemlich vielen Redaktionen.
Warum eigentlich?
Ich kann aus zwei Gründen nicht ganz nachvollziehen, warum Journalisten jetzt das Gefühl haben, auf Distanz gehen zu müssen.
Zum einen ist hier jemand Dingen auf den Grund gegangen, hat den gewohnten Rahmen verlassen und die Szene gesucht, von der viele geredet haben, die aber noch nie in verwertbarer Form aufgetaucht ist. Dabei wurde sicher auch ein wenig angeschoben, man hat eben das Gespräch in die richtige Richtung gelenkt.
Zum anderen ist das Video ja nicht in manipulierter Form in eigenen Kanälen veröffentlicht worden. Spiegel und Süddeutsche Zeitung sind keine No-Name-Brands im Medienbusiness; deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben das Video geprüft, die veröffentlichten Stellen ausgewählt und entschieden, an die Öffentlichkeit zu gehen. Sollten die veröffentlichten Stellen also tatsächlich manipulativ ausgewählt worden sein, sollten den kompromittierenden Aussagen von Strache manipulative Einladungen, Unterstellungen oder andere Verfälschungen vorausgegangen sein, dann wäre es ja diesen Medien anzulasten, nicht den Produzenten des Videos.
Sicher könnte man wohl sehr viele Menschen in ähnliche Fallen locken. Sicher wäre es nicht wünschenswert, wenn dieser Umgang Alltag wäre.
Es war aber genauso wenig wünschenswert, dass Strache und Gudenus federführend daran beteiligt waren, eine Öffentlichkeit zu schaffen, in der Lügen Teil politischer Strategie sind, in der es das Hauptziel angeblicher Diskussionen ist, Diskussion unmöglich zu machen, in der Medien mit kontrollierten Inszenierungen versorgt werden, die so undurchlässig sind, dass man sie bestenfalls ignorieren kann, nicht aber hinter ihre Kulissen blicken.
In dieser Situation muss man schon einmal zu drastischeren Mitteln greifen, um eine Story, die jeder kennt, aber niemand schreiben kann, in Form bringen zu können.
Mir waren im Gegenteil viele vermeintliche Investigativ-Storys der letzten Jahre viel zu zahn- und hilflos. Ich denke an diverse Burschenschafter-Porträts, in denen Burschenschafter sich als adrette Jungs präsentierten und deren ganzer Reiz in der Ankündigung bestand, Burschenschafter begleitet haben – dass dabei nichts passiert ist, war dann die eigentliche Geschichte. Ich denke auch jenen Schweizer Journalisten, der auf Social Media eine Woche lang ankündigte, sich monatelang in engste Neonazikreise eingeschlichen zu haben. Die Story war dann ein mauer Zwanzigzeiler darüber, dass er einige Wochen lang in einer Neonazi-Chatgruppe online mitgelauscht hatte, ohne jemals Menschen zu treffen. Ich denke auch an Porträts von Geschäftsleuten, Investoren, Unternehmen, deren Essenz als Zusammenfassung von Zeitungsarchiven ist, dass zwar viel geredet wird, aber man nichts genaues nicht weiß.
Der Abend in Ibiza war gewiss ein ungewöhnliches Interview-Setting. Aber eines, das eine handfeste Story liefert, über die Journalisten berichten können – statt in einer Mischung aus Bericht, Analyse und Kommentar zwischen den Zeilen Meinung mit Fakten zu vermischen oder Journalismus mit Politikberatung zu verwechseln.