Ankommen: Lissabon

Die ersten Eindrücke einer neuen Stadt, eines neuen Landes – was bleibt hängen, und welchen Erinnerungen prägen die Bilder, die man mit sich nimmt? 
 
In Lissabon waren es Dealer. Portugal war gerade erst am wirtschaftlichen Crash vorbeigeschrammt, um Haaresbreite dem Schicksal Griechenlands entronnen. Die Zeiten waren nicht besonders gut; abbruchreife Häuser und geschlossene Läden waren die sichtbarsten Zeichen einer lange andauernden Krise. Und dann waren da die Dealer. Der Bus vom Flughafen endete am Cais do Sodre, am Tejo-Ufer, beim Bahnhof, von dem aus Züge zuden noblen Badeorten der Atlantikküste fahren und am Fuß des Bairo Alto, des steil-hügeligen Altstadtviertels mit den Kabelstraßenbahnen.
 
Aus dem Bus stiegen Familien, Menschen mit Gepäck, Urlauber, die ihre Hotels suchten, es war früher Nachmittag. Dealer boten Hände voll Marihuana und Plastikbeutel voll Kokain an. Es waren keine Jungs, keine Gangs auf der Suche nach schnellem Geld. Es waren alte Männer jenseits der 60 in sauberen karierten Flanellhemden, die sich nach wohl Jahren der Arbeitslosigkeit in neuen Geschäften versuchten.
Allein bis ich mich entschieden hatte, in welche Richtung ich zum Hotel gehen musste, hatten mich fünf oder sechs von ihnen angesprochen. In den nächsten Tagen in der Stadt sollten es noch viel mehr werden. Und manche von ihnen hatten neben Drogen auch noch die damals noch neuen Selfie-Sticks im Angebot.
 
(In Portugal ist Drogenkonsum seit 2001 entkriminalisiert. Das Risiko ist also auch für Dealer recht gering.)
 
 


“Anarchist in Anführungsstrichen”: leider echt mühsam

Ich habe das jetzt gelesen – und ich muss sagen, langsam verstehe ich das um sich greifende Graphic Novel-Bashing. Ein junger Mensch greift sich einen bestehenden Stoff (Erich Mühsams Tagebücher), erweitert ihn um ein paar völlig belanglose, witzlose bis schlichtweg dumme Kommentare (“Schicker Kapuzenpulli“), zeichnet Bilder, die schon über die kleinsten anatomischen Herausforderungen stolpern (Essen etwa), wobei Stolpern untertrieben ist – es sind mehrfache Knochenbrüche, die diese Bilder erleiden, Unfälle, die auch den wohlmeinendsten Leser verstören und schlicht vom Lesen abhalten.
Klar, in der Theorie ist das eine gute Sache, nahezu vergessene Randfiguren wie Erich Mühsam zugänglicher zu machen. Diese Art der Umsetzung trägt aber kein ganzes Buch, das ist einfach auf allen Ebenen zu wenig. Lest lieber gleich Mühsam.