Dinge

Ich glaube, es war eine Kunstfigur von Josef Hader. Ein zurückgezogener, etwas menschenscheuer bis menschenfeindlicher Typ, der nicht wirklich viel mit seiner Umgebung anzufangen wusste. „Ich mag ja Menschen nicht so“, sagte er dann irgendwann im Programm. „Ich mag lieber Sachen“, sagte er mit einer schwärmerischen streichelnden Handbewegung, mit der andere Kurven, glänzendes Blech oder funkelnde Schätze beschreiben würden.
Sachen waren dabei aber keine Sammlerstücke, keine glänzenden besonderen Erinnerungsstücke, sonder einfach Dinge, die man in die Wohnung, ins Regal stellen konnte. Sie reden nicht zurück, sie hören zu, sie sind austauschbar und sie sind einfach immer da.
Haders Figur war kein cooler Typ, eher ein bemitleidenswerter Nerd, ein weinerliches Häufchen Elend, aus dem mit wenigen Schritten auch ein Psycho-Amokläufer werden könnte.
Oder ein erfolgreicher Instagram-Influencer, Shop-Betreiber oder Creative Director eines Lifestyle-Magazins. Ich muss immer wieder an Haders Dinge-Liebhaber denken, wenn ich irgendwo, recht weit von Wien entfernt – durch Stadtteile spaziere, die ein Abklatsch voneinander sind und dabei eigentlich auch ein Abklatsch von Bildern, die es außerhalb gezielt gestalteter Lifestyleblätter nicht gibt. Zumindest nicht als funktionierende Praxis.
Café-Bars mit absurden Öffnungszeiten, in denen man weder einen Morgenkaffee noch abends einen Drink nehmen kann (weil sie nur von 10-18 Uhr geöffnet sind), Yogastudios und dutzende Kunsthandwerks- oder Interiordesign-Läden in denen es, naja, Dinge zu kaufen gibt. Dinge, die es überall auf der Welt gibt.

Manchmal gerate ich auch in DIY-Höllen in Hotels oder AirBnB-Wohnungen: Umgebungen, in denen sich Dinge stapeln, die keine Bedeutung, keinen Nutzen und keine Funktion haben. Als Massenware nicht mal Erinnerungswert. Gut, manche wurden auch individuell gefertigt – natürlich angeleitet von Bestsellern wie dem Buch: “DIY Jutetaschen”. Oder von schlauen Listicles mit dem verräterischen Schlagzeile “DIY zum Selbermachen”.

Am Anfang dieser Entwicklung hin zur Verbreitung des immer gleichen standen vielleicht große Handelsketten, die die Weltmärkte erobert haben. Jetzt sind es betonte Individualisten, „Love-what-you-do“-Prediger, „Enjoy Life“- und „Follow your Dream“-Apologeten, die, wenn sie nicht gerade in Podcasts austauschbare Predigten halten, eben Shops eröffnen, in denen tolle Blumenvasen, Buchstaben (“LOVE“!) oder Buddhastatuen verkauft werden. Natürlich individuell, natürlich mit Design und natürlich mit einer Story dazu, denn die ist ja alles. Und auch immer die gleiche.
Und sie mögen eben Dinge. Weil Dinge der Persönlichkeit Ausdruck verleihen, sich widerstandslos in eine Inszenierung einfügen und auch wieder weggeworfen werden können. Und es denkt sich niemand mehr etwas dabei, Lifestyle-Magazinen den Untertitel „Dinge die wir lieben“ zu verleihen.
Dinge beschweren sich ja dann vielleicht auch weniger über die Art und Weise, in der sie ins Blatt gerückt werden. Sie reden eben nicht zurück.