Ich kann den Emo-Müll nicht mehr sehen

Kinderaugen, größere Kinderaugen, vergessene Teddybären, Nonnen, alte Nonnen, uralte Nonnen, sehr dicke Menschen, sehr dünne Menschen, Zahnspangen- und Brillenträger, Babykatzen, Kulleraugenzeichentrickfiguren, alle werden zu Helden. Nicht etwa, weil sie etwas Großartiges auf die Reihe kriegen. Nein, sie machen langweiligen Alltagskram, verwandeln sich dabei in abgefahrene Superhelden und werden von allen Gaffern rundherum abgefeiert und bejubelt.

Es war ja nur eine Frage der Zeit. Eine Generation, die mit Emotion, Storytelling, Entertainment-Overkill und der ständigen Angst vor Überlastung von der ersten Vorschulklasse weg groß geworden ist, kommt in der Kommunikationsbranche an die Drücker und macht Werbung für eine Generation, die von ihnen schon gelernt hat, dass die Welt Kacke ist, wenn man sie sich nicht schön lügt.
Und weil trotzdem nicht alle Hand in Hand mit Regenbögen kotzenden Einhörnern über immerbunte Blumenwiesen laufen, muss das eben so lange dargestellt werden, bis nichts anderes mehr zu sehen ist.

Kampagnen, die an der Realität anknüpfen, diese weiterspinnen, eine Idee weiterentwickeln, Neues in die Welt bringen, oder auch nur dazu geeignet wären, Neues zu begleiten – ich seh das nicht mehr.

Und nein, früher war nicht alles besser. Da konnte man sich über anderes aufregen. Action-Feelgood-Emotionskram ist heute für mich jedenfalls Schweißfüße und Knoblauchfahne einer Marke: ein deutliches Zeichen, Abstand zu halten.

Und dazu muss ich noch nicht mal schlechte Laune haben.

Diskutieren kann man, wenn man seine Schäfchen im Trockenen hat

Soll man mit Rechten reden? – “Es ist unsere Arena, wir machen die Regeln.
Wir verkaufen die Tickets, promoten den Sieger und machen aus den Verlierern einen Sozialporno. Es gibt also keine Verlierer – zumindest nicht bei uns, und außer bei den echten Verlierern“, sagt die Medienblase.
 
Das Feuilleton fordert immer wieder gern die Auseinandersetzung mit neurechtem Schmus, über den es bequem von Podien, Theaterbühnen oder Kommentarseiten aus schmunzelt.
Ist ja manchmal auch gut für den Kreislauf, sich herzhaft aufzuregen, es ist eine gute Argumentations- und Logikschulung, schlecht oder fadenscheinig argumentierte Texte zu lesen und zu zerlegen, und es ist ja auch wirklich sinnvoll, die Argumente der anderen zu kennen – sei es der Auseinandersetzung oder der Bekämpfung wegen.
Muss man neurechten Publikationen deshalb mit Respekt und Unvoreingenommenheit begegnen, soll man sie vermarkten, fördern und Geschäfte mit ihnen machen?
Aus intellektueller Perspektive ist das egal: Wenn der nächste Bubikopf meint, mit Heidegger- und Nietzsche-Verballhornungen Aufmerksamkeit bekommen zu können – ok. Man könnte dazu etwas sagen, muss man aber nicht (unter anderem, weil ja schließlich Kritik das Kritisierte erstmal in den Mittelpunkt stellt und damit relevant macht).
Man kann stattdessen im eigenen Feuilleton den eigenen Interessen nachgehen.
 
Diese Wahl hat aber nicht jeder. Die Vorstellung, gesittet miteinander zu diskutieren, ist recht schön. Die Diskussion, die sich manche Journalisten hier herbeiwünschen, wird aber schon längst nicht mehr mit Worten und Argumenten geführt. Die Betroffenen sind ganz anders betroffen:
Warum soll sich ein als Kanak, N****, sonst was beschimpfter Mensch mit neurechten „Mythen“ auseinandersetzen, die eine Horde Besoffener aus einer Facebookgruppe hat, die sie von einem Youtuber hat, der sie aus einem Forum hat, dessen Mitglieder sie von einem neurechten Autor haben?
Warum soll ein junger bärtiger Usbeke im Fitnesstudio dschihadistische Propaganda auch nur so weit kennen, dass er sich davon distanzieren kann, wenn sie ihm einfach nur am A…. vorbeigeht?
Und warum soll man Autorinnen und Autoren oder Verlage dabei unterstützen, „Ideen“ in die Welt zu setzen, die dazu führen, dass dunkelhäutige Jugendliche nicht mehr ohne Reisepass oder Personalausweis aus dem Haus gehen können (weil sie sonst einfach zu viel Zeit bei Polizeikontrollen verbringen, in denen ihre Identität festgestellt werden soll)
 
Es sei Buchhändlern und Journalisten unbenommen, mit rechten Obskuranten Geschäfte zu machen. Das Deckmäntelchen der Offenheit ließe sich besser dort anbringen, wo sich neues entdecken lässt, also dort wo sich mit Krawall gut verkaufen lässt.
 
Und schließlich: Ich kenne keine Diskussion, wie sie hier herbeigewünscht wird, die langfristig etwas gebracht hätte. Man kann Argumente und Menschen kurzfristig bloßstellen, aber das hält sie nicht davon ab, alles noch mal durch den Fleischwolf zu drehen und als faktenfreies Hachée neu aufzutischen.
 
Also wer diskutieren will: Tut nur. Aber hebt euch das mit der Intoleranz für später auf. Und ich warte noch immer auf den Anti-Political-Correctness-Kommentar, der ohne Verweis auf „amerikanische Universitäten“ auskommt.