Glamour

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„Wenn ich eure Hefte sehe, dann gehts mir besser.“

Es ist nicht immer toll, auf Buchmessen, Comic Festivals oder Comic Cons abzuhängen. Es sind arbeitsreiche Wochenenden, die oft um fünf Uhr morgens beginnen, lange Autofahrten, Schlepperei, lange Tage ohne Tageslicht in lauten stickigen Messehallen.
Abends oder unterwegs dann billige Hotels mit Truckercharme, schließlich soll dann auch noch Gewinn übrig bleiben.

Unterm Strich wächst an solchen Tagen eher die Frage „Will ich das wirklich?“ Als soziales oder unternehmerisches Highlight erlebe ich Messen jedenfalls nie.

Dann gibt es aber Menschen wie diesen jungen Menschen, der recht offensichtlich mit nichts im Leben zufrieden ist, unter anderem wohl auch mit seiner oder ihrer geschlechtlichen Identität nicht. Dazu Narben im Gesicht, schwarze Kleidung mit einem großen Pentagramm auf dem Rücken.
Dieser Mensch schaut recht lange, blättert ein wenig und scheint etwas sagen zu wollen, findet aber keinen Anfang.
„Kann ich dir was erzählen?“, mach dann eben ich einen Anfang.
„Ich lebe ja eigentlich in Finnland“, kommt als Antwort. „Ich bin ausgewandert, weil alles, was anders ist, in Österreich unterdrückt wird, da kann nichts entstehen. Aber an euch sieht man, dass es doch möglich ist. Also macht bitte weiter. Wenn ich eure Hefte sehe, dann geht es mir auch besser.“

Wir halten keine flammenden Wutreden oder schreiben keine pointierten Essays. Wenn wir Preise bekommen, dann nicht im Rahmen einer Gala in Anwesenheit der Regierung, wo sich die Gelegenheit zu tollen Dankesreden bietet. Unsere Auszeichnungen sind ein paar Euro, die andere Nerds zusammengekratzt haben, um ein paar Akzente für ihre Umgebung zu setzen. Wir sind selten Teil selbstreferenzieller Twitterstafetten („Die tolle @xyz hat etwas Tolles {qwertz} gemacht. Lesenswert!“).
Dafür müssen wir uns auch nicht an Neiddebatten und Scheingefechten beteiligen. Aber wir müssen halt draußen sein, dort wo man Lesern als Menschen begegnet, ein wenig Begeisterung entfachen kann und Menschen einen Grund gibt, mal ein Heft oder ein Buch in die Hand zu nehmen, darin zu blättern und Freude daran zu finden.

Ist auch nicht schlecht. Aber nein, freundliche Leser sind kein Ersatz für Cash und lange Arbeitswochenenden (nach langen Arbeitstagen), ein paar freundliche Worte wiegen auch keine unter dem Strich mageren Stundenhonorare auf.

Aber freundliche Leser sind dann doch immer wieder ein Anreiz dafür, auch auf der nächsten Messe dann doch noch mal den Stand aufzubauen.

 

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Comics (Austrian Superheroes, Doom Metal Kit, Liga deutscher Helden) gibt es das nächste Mal beim Comic Festival München, Bücher (The Big Boda Boda Book, Backpacking in Afrika und demnächst auch Neuigkeiten) überall im Handel oder bei uns in Ottakring.

Michael Hafner

Michael Hafner

Technologiehistoriker, Comic-Verleger, Datenanalyst

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