[dropcap type=”3″]A[/dropcap]rbeit soll Sinn machen, etwas – das ist ein dehnbarer Begriff – verbessern, und im Unternehmen und ausserhalb dazu beitragen, dass Probleme gelöst und Situationen verbessert werden. Wie das genau aussieht, liegt oft im persönlichen Ermessen derjenigen, die Entscheidungen treffen. Nach welchen Kriterien treffen Manager, die allein schon auf Grund der Unternehmensgröße im Rampenlicht stehen, Entscheidungen?
Der deutsche Soziologe Nikolas Gebhard hat Manager aus dreissig DAX-Unternehmen zu ihrem Verantwortungsbegriff befragt und ein Buch daraus gemacht.
Einige Ergebnisse sind vorhersehbar – CSR-Abteilungen haben selten direkten Einfluss auf Geschäftsentscheidungen, Compliance ist eine Übung, um Regeln zu befolgen, bei der die Befolgung der Regeln meistens über ihrem Inhalt steht – einiges ist aber auch überraschend. Zumindest in dieser Deutlichkeit.
Manager machen ihren Begriff von Verantwortung und Ethik großteils allein mit sich selbst aus. Konzepte zu anderen Wirtschaftsformen werden vielleicht aus dem Augenwinkel wahrgenommen, aber selten aktiv verfolgt. Am häufigsten diskutieren Manager ihr Verantwortungsverständnis nicht mit Spezialisten, sondern zu Hause – oder gar nicht.
Die ausdrücklich angeführten Gründe sind Stress, mangelndes Vertrauen in Ansprechpartner im eigenen Unternehmen, wenig persönliche Kontakte zu Peers in anderen Unternehmen (oder keine Zeit dafür); nicht ausdrücklich angeführt ist der Erwartungsdruck, keine Umwege zu gehen, keine ausgefransten Angriffspunkte zu geben: Managerkarrieren werden immer stromlinienförmiger, stellt Gebhard fest. Leute absolvieren die gleichen Business-Schools, in denen die gleichen Programme unterrichtet werden, machen ähnliche Erfahrungen – und müssen dann am Ball bleiben; es bleibt wenig Zeit, links oder rechts zu schauen.
Abweichende Diskussionen finden in anderen Sphären statt, Zweifel gilt als ein Zeichen von Schwäche oder Unentschlossenheit.
[quote_center]Viel wissen und trotzdem eine Meinung haben ist eine echte Herausforderung.[/quote_center]
[dropcap type=”3″]M[/dropcap]it wem reden dann eigentlich die Berater in philosophischen Praxen, die Visionäre der Work Life Balance und die stetig zahlreicher werdenden Ethik-Spezialisten?
Transparenz, Anti-Korruption, ökologische und soziale Nachhaltigkeit sind große Themen dieser Zeit – und sie eignen sich sehr gut für reduzierte Abstraktionen: Einer Form wird genüge getan, es gibt Regeln, deren Befolgen verhindert, dass Fragen gestellt werden müssen, und es gibt immer ausreichend Möglichkeiten, Erfolg festzustellen.
Das zeigt sich auch in den Manager-Interviews immer wieder: Es gibt, isoliert betrachtet, eine Vielzahl von Verantwortungsmöglichkeiten – den Mitarbeitern, den Gesellschaftern, der Umwelt, der Gesellschaft gegenüber – irgendeine dieser Verantwortungen wird mit Sicherheit immer erfüllt sein. So lesen sich auch die meisten Interviews mit Executives in ökologisch orientierten Magazinen: Erst werden einige Fakten und gute Taten aufgezählt, stehen dann noch immer Fragen im Raum, werden Regeln und Gütezeichen bemüht – bis jede weitere Frage eigentlich alle Nachhaltigkeitsorganisationen und -regeln selbst in Frage stellen würde.
Einen Schritt hinter diese Voraussetzungen zu gehen und sich der Offenheit zu stellen, bedeutet noch keineswegs Beliebigkeit. Das ist eine häufige Verwechslung in allen Diskursen, die sich nicht auf unhinterfragte Annahmen zurückziehen. – Viel wissen und trotzdem eine Meinung haben ist eine echte Herausforderung. Aus dieser Haltung heraus dann noch die Zeit und Entschlossenheit zu finden, etwas umzusetzen, macht dann den Unternehmer aus.
Aber halt, Manager sind ja keine Unternehmer. Sie predigen nur Angestellten, dass die unternehmerisch denken sollen. Und die fragen sich dann, warum sie eigentlich überhaupt etwas tun sollen. – Was heisst das für Arbeit, von dieser Frage sind wir ja ausgegangen.
Zahlen belegen, dass derzeit in Unternehmen vor allem Lähmungserscheinungen vorherrschen: Soll ich wirklich? Ist es das wert? Darf ich das machen? Mach ich nicht lieber was anderes oder noch lieber gar nichts? Diese Fragen stellt sich jeder auf allen Ebenen; in den Niederungen schlägt sich das aufs persönliche Engagement nieder, in den höheren Sphären auf Risiko- und Entscheidungsfreudigkeit. Wir ziehen uns auf Zahlen und ökonomisch nachvollziehbares zurück; oder wir machen einfach weiter wie bisher.
Wer glaubt, dass einfach so andere Wege möglich sind, kann schon mal Pflaster und Bandagen kaufen. Glaubt mir, ich habe das ausprobiert.
[pull_quote_right]”Life is like a jigsaw puzzle. When you come to work, the pieces of your conscience all get jumbled up. My job is to remind you what the picture on the box looks like.“[/pull_quote_right] [dropcap type=”3″]A[/dropcap]rbeit ist auf der einen Seite heute nicht mehr produktiv – es gibt viel zu viele Jobs, die weder für Unterhaltung sorgen noch notwendig sind; die Welt würde einfach auch ohne sie problemlos weiterlaufen. Auf der anderen Seite fordert Arbeit heute so wenig, dass allein in ihrer Bewältigung kein Sinn zu sehen ist. Der Sinn wird in vermeintlich größeren Kreisen gesucht; und es ist durchaus ein Symptom, dass wir dabei viel zu oft immer wieder bei uns selbst landen und weniger bei einem Gesamtbild, das grundsätzlich erstrebenswert wäre.
Wahrscheinlich fehlt die Lust auf diese Perspektive. Oder wir können sie einfach nicht gut vermitteln.
Roger Steare, einer der Philosophie-Praktiker, die ganz gut im Geschäft sind, formuliert es recht einfach: “Life is like a jigsaw puzzle. When you come to work, the pieces of your conscience all get jumbled up. My job is to remind you what the picture on the box looks like.“
Dieses Bild zu zeichnen, ist an sich schon eine Aufgabe. Es in eine verständliche, nachvollziehbare Form zu bringen und es auch vermitteln zu können, ist dann der eigentliche Brocken. Das wird in Gesprächen zu Hause nicht funktionieren. Es wird auch in klassischen Branding-Prozessen und Marketingplänen nicht funktionieren. Deswegen hat der Stellenwert von Arbeit – und damit auch die Art von Verantwortung, die wir ökonomisch ausüben können – viel damit zu tun, wie wir über Arbeit kommunizieren. Unternehmen brauchen nach innen und nach aussen andere Formen der Kommunikation, die sich dem stellen.