Régis Jauffret, Microfictions 2022

Régis Jauffret, Microfictions 2022

Ich werde nicht ganz schlau daraus. Ein Panorama unserer Zeit, konkret dieses Jahres, als 1000-Seiten-Roman, blitzschnell geschrieben – das klang spannend. Jauffret löst das als Sammlung von über 500 Ultrakurzgeschichten mit jeweils maximal 2 Seiten.

Anspielungen auf Politik, Geschichte und Corona zeigen, dass die Texte wirklich ganz aktuelle Notizen sein müssen. Und jeder einzelne kurze Text erzählt sein eigenes Drama, jede Story nimmt eine üble Wendung und ein schlechtes Ende. Manchmal geschieht das in subtiler Bösartigkeit, manchmal mit einem offensiven Leidenswillen, der fast an Klaus Cornfields Kranke Comics heranreicht.

Manchmal ist das faszinierend, bedrückend, manchmal ist man als Leser schon nach einer Seite so tief in einer Story, dass man meint, schon 200 Seiten gelesen zu haben. Manchmal plätschern die zahlreichen, dann bemüht wirkenden Schicksale aber auch an einem teilnahmslosen Leser vorbei, man blättert weiter und hat schon vergessen, bevor man überhaupt verstanden hat.

Michael Hafner

Michael Hafner

Daten- und Digitalisierungsexperte, Wissenschafts- und Technologiehistoriker, Informatiker und Journalist

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