Sind Digitalabos so etwas wie Tabletmagazine?

Sind Digitalabos so etwas wie Tabletmagazine?

Vielleicht sind auch Digitalabos für Zeitungsverlage nur ein notwendiger Umweg, der nie wirklich Erfolg bringen wird. Aber einer, der einmal begonnen werden muss, um darüber hinaus Alternativen zu finden.

Alle sind überzeugt: Man muss es probieren. Niemand weiß: Wie geht es wirklich, wer hat womit Erfolg gehabt? Erfolgsstorys haben immer den Unterton des Achtungserfolgs oder der Ausnahmesituation: immerhin das erreicht, besser als andere, für die Umstände nicht schlecht. Oder: Das Medienimperium mit weltweiter Reichweite und internationalen Schleuderpreisen konnte ja auch seine Registrierungen steigern.

Man muss es tun, man muss auf Digitalabos und direkte Kundenbeziehungen setzen, weil es aktuell keine alternativen Perspektiven gibt. Umso dringender ist es, welche zu entwickeln.

Vor 15 Jahren haben wir festgestellt, dass Onlinemedien nicht mehr so funktionieren werden. Nicht nur, weil niemand dafür bezahlen wollte, sondern auch, weil der wachsende Anteil von Mobilgeräten Design- und Usability-Überlegungen zunichte gemacht hat, die Webseiten in Brand- und Designerlebnisse verwandeln sollten, wie man es von Magazinen und Zeitungen kannte. Fancy Storytelling-Formate waren Schnee von gestern, Navigationskonzepte (darüber machte man sich damals noch Gedanken) waren über den Haufen geworfen.

Die Hoffnung lag in Tablets. Tablets sperrten User ein, beschränkten ihre Nutzungsmöglichkeiten und gaben Publishern Mittel an die Hand, Usern ihre Ideen aufzuzwingen. Wer Teil der schönen neuen Welt sein wollte, musste ein Tablet besitzen, die Magazin-App downloaden und das Magazin abonnieren. Verlage sahen ihre Zukunft im Nespresso-Modell: Schaff ein Convenience-getriebenes Modell, das Usern viele Annehmlichkeiten bietet und es ihnen sehr schwer macht, das geschlossene Umfeld zu verlassen.

Das Problem: Es hat niemanden interessiert. Ein paar unwillige Early Adopter, ein paar Fashion Victims und ein paar Schnorrer, die über Abogeschenke geködert waren – das blieb die Tablet-Ausbeute der meisten Verlage. User surften indessen fröhlich am Handy, pfiffen auf durchdachte multimediale Userexperience und stoppelten sich ihre Information aus verschiedensten Quellen zusammen.

Ähnlich verhält es sich jetzt mit Digitalabos. Publisher versuchen, Geschäftsmodelle von früher zu transformieren und digitalisieren, es liegt scheinbar auf der Hand, dass das Produkt funktionieren muss, es hat sich ja kaum verändert – aber es funktioniert kaum. Trotzdem ist es notwendig, das Produkt auszubauen, zu perfektionieren und alles rundherum zu perfektionieren. Niemand kann es sich leisten, dieses Thema unversucht zu lassen. Aber es ist durchaus vorstelllbar, dass das Digitalabogeschäft ebenso sang- und klanglos verschwindet wie das Tabletgeschäft.

Wie beim Tabbletgeschäft sind es vielleicht Nebeneffekte die den Ausweg zum nächsten Versuch weisen. Digitalprodukte sind datenintensiv und fordern zur Beschäftigung mit Künstlicher Intelligenz auf. Sie zwingen zur Beschäftigung mit Usern, Tech-Konzernen und digitalen Möglichkeiten. Sie zeigen neue Konkurrenzverhältnisse auf. Und sie lassen neue Ideen entstehen, welche Partner in Zukunft interessant für Verlage sein könnten. Früher waren es Werbetreibende; Leser wollten die von diesen hinterlassenen Lücken nicht ausfüllen. Vielleicht sind einmal mehr Tech-Konzerne Geldquelle für Verlage. Sie brauchen Inhalte, um User zu beschäftigen und zu binden, um Netzwerke zu füllen – und um KI-Modelle zu trainieren. Copyrights waren eines der am intensivsten diskutierten Themen rund um den EU AI Act. Und man kann noch nicht einmal sagen, ob das weise oder kurzsichtig war. Verlage brauchen Big Tech, und Big Tech braucht Content, nach wie vor.

Die letzte große Kooperationswelle leitete allerdings den Anfang vom möglichen Ende vieler Verlage ein. Rund um die Jahrtausendwende, Telekomunternehmen meinten, die besseren Medienunternehmen zu werden, war Syndication die neue heiße Geldquelle für Publisher. Sie lizenzierten Inhalte und hatten damit neben Werbung und Lesern eine dritte Einnahmequelle.

Genau die wurde ihnen zum Verhängnis. Leser gewöhnten sich daran, Inhalte überall und kostenlos zu bekommen – und verzichteten noch leichter als bisher auf ihr Zeitungsabo.

Das kann wieder so passieren. Allerdings hat auch Big Tech mittlerweile verstanden, dass Inhalte nicht von selbst wachsen und Verlage wichtig sind. Es liegt an den Verlagen, dieser Tatsache gerecht zu werden und das angemessene Selbstbewusstsein zu entwickeln. Dieses Selbstbewusstsein muss ein deutlich anderes sein als das der Vergangenheit.

Michael Hafner

Michael Hafner

Technologiehistoriker, Comic-Verleger, Datenanalyst

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