Partei zu den fröhlichen Totengräbern

Partei zu den fröhlichen Totengräbern

Wenn Gekränkte und Beleidigte dazu antreten, das Land vor den Rechten und die politische Kultur überhaupt zu retten.

Es war eine liebgewordene Tradition in Österreich, dass die Abschiedsreden von (ÖVP-)Politikern zu den Highlights ihrer Karrieren gehörten. Othmar Karas hat damit gebrochen. Sein Abschied blieb so farblos und volle Konjunktive wie sein bisheriges politisches Wirken. Ich habe mich nach etwa einer Minute verabschiedet, als zum ersten Mal die magischen Worte fielen “Es geht ja nicht um mich, aber …” Diese Formulierung gehört zum Standardrepertoire alternder Politbesserwisser, die ganz sicher nicht zur Seite treten werden, um Platz dafür zu machen, worum es denn eigentlich gehen soll.

Keine Nachlese, keine Kritik oder kein Lob von Karas’ Abtritt konnte mich bislang davon überzeugen, dass ich etwas versäumt hätte.

Im großen Sonntagsinterview mit der Kronen Zeitung sprach Karas auch wenig, widersprach auch nicht, als ihm gemeinsame Bewegungsambitionen mit Christian Kern, Reinhard Mitterlehner und Josef Schellhorn nachgesagt wurden. Das wäre ja mal was. Der parteiübergreifende Einheitsbrei der Gekränkten und Beleidigten, die sich nicht durchsetzen konnten und deshalb mit einer eigenen Neugründung sportlich dazu ansetzen, sogar die Republik Kuglmugl auf dem politischen Parkett Österreichs in den Schatten zu stellen. Die Partei zum fröhlichen Totengräber mit lauter älteren Männern, die schon (mindestens) einmal entnervt und beleidigt hingeschmissen haben. In ihrem ersten politischen Leben konnten sie nichts dazu beitragen, den Aufstieg der Rechten zu verhindern, dafür tragen sie jetzt mit neuem Pathos den Anspruch vor sich her, einen Wahlsieg der FPÖ verhindern zu wollen.

Putzig.

Denn sie wildern natürlich nicht in deren Revier, sondern in den Revieren jener, die sich den gleichen Anspruch auf die Fahnen geheftet haben.

Sollten die Comebackfreudigen das also aus Gründen der politischen Raison lieber lassen? Dazu muss man sagen: Nicht jeder Unterschied muss gleich das Gegenteil bedeuten. Im Klartext: Wenn ein Waschmittel nicht sauber wäscht, macht es deshalb noch nicht schmutzig. Aber wenn man etwas gegen die braunen Flecken in der Unterhose tun möchte, sollte man es trotzdem nicht verwenden.

Michael Hafner

Michael Hafner

Technologiehistoriker, Comic-Verleger, Datenanalyst

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