Content Marketing – wer kriegt das größte Stück vom Kuchen?

Content Marketing halte ich für eine der aktuell spannendsten Disziplinen in der Medienstrategie und -vermarktung. Das war hier schon mal Thema und auch eines der interessantesten Panels beim Werbeplanung.at-Summit. Offen ist vor allem auch: Wer kriegt hier das größte Stück vom Kuchen, und welche Auswirkungen hat intensives Content Marketing auf Werbebudgets und Ausgaben für traditionelle Mediaplanung?

Content Marketing

Lukas Kircher, der sich vom Zeitungsdesigner zum Contenmarketer verwandelt hat, Eric Schöffler, Chief Creative Office bei DDB Tribal, und Rolf Dieter Lafrenz von der Beratungsgruppe Schickler referierten zu Content Marketing.

Schöfflers Case, die Move On-Produktion für die Deutsche Telekom, ist ein Grenzfall zwischen Contentmarketing, Brandet Entertainment, Social Marketing und Corporate Publishing, der darin gipfelte, dass der Film – eigentlich ein als Spielfilm getarnter Werbefilm – letztlich von Fernsehsendern als Spielfilm gegen bares Geld gekauft wurde. Wieder ein Beispiel dafür, wie sich die Qualität aufwändiger Produktionen durchsetzt.

Dem ging allerdings eine lange und nervenaufreibende Produktion voraus. Die Idee, statt einer klassischen Kampagne User in die Produktion eines Films zu involvieren, setzte schon vor und während der Produktion massive PR voraus, erforderte eine komplexe eigene Plattform, auf der User Vorschläge machen, sich für kleine Rollen im Film bewerben und am Drehbuch mitarbeiten konnten und brachte auch die Leute im Communitymanagement des Projekts an ihre Grenzen. DDB nennt die Arbeitsweise Social Creativity.

Auf der Plattform zum Film (einer Microsite der Deutschen Telekom) und den anderen begleitenden Massnahmen wurden insgesamt über sechs Millionen Kontakte erzielt, der Film selbst wurde dann von drei Millionen Zuschauern gesehen.

Das Marketing war in diesem Fall in die Produktion integriert; wer Sinn für Haarspalterei hat, könnte auch darüber diskutieren, ob das nicht eher Crowdsourcing als Content Marketing war. Ebenso lässt sich wohl ein wenig bezweifeln, ob ausser einer positiven Grundstimmung – “Die Telekom macht da was Cooles” – auch noch andere Inhalte transportiert wurden. – Trotzdem ist das eine ziemlich eindrucksvolle Sache, und allein das positive Grundrauschen an sich ist schon mal Gold wert. Ein Motto, das Schöffler über das Projekt stellte: “Leute lesen, was sie interessant finden. Manchmal ist das eben Werbung” (nach Howard Gossage).

Gold wert vor allem in Zeiten, in denen Werbung zunehmen nervt. Digitale oder mobile Entführungsstrategien, die User wider willen zu irgendwelchen Landingpages hijacken, Unterbrecher oder Überlagerungen sowie einfach schlecht gemachte Werbung sorgen dafür, dass bald schon die Hälfte aller Werbemassnahmen negative ROI-Zahlen erzeugen. – Das waren einige Zahlen, mit denen Lukas Kircher seine Präsentation eröffnete.

Während Werbung eben nervt, wenig Neuigkeiten bietet, Glaubwürdigkeitsprobleme hat und damit zunehmend auch vor der Sinnfrage steht, werden gute Geschichten immer noch gern gelesen. Das alte Social Media-Mantra “Rede mit Leuten so, wie du auf einer Party mit ihnen reden würdest – nicht wie in einem Werbespot” gilt auch umso mehr im Corporate Publishing und Contentmarketing. Legendäre Beispiele sind die Coca Cola Content 2020 Strategie unter dem Schlagwort “Liquid Content”: Content passt sich seiner Verwendung an, ist flexibel einsetzbar und bietet viele Anknüpfungspunkte, die dann gemeinsam mit User weiterentwickelt werden können. Deutlichstes Anzeichen ist die Startseite des Cola Corporate Webseite, die zur Gänze auf Produkte, Gewinnspiele und ähnliche Klassiker verzichtet und nur noch Content bietet. Das Liquidity-Motiv tauchte übrigens schon lang vor den Coca Cola-Initiativen in den Schriften des Medienphilosophen Charles Ess auf, der “fluidity of information” als einen der wesentlichen Unterschiede zwischen digitalen und traditionellen Medien beschreibt: Content wandert, mit mehr oder weniger Kontext, größerer oder kleinerer Reichweite – das bedeutet, wir können nie sicher sein, was wo in welcher Form ankommt. In dieser Tatsache stecken Freiheit und Chancen ebenso wie steigende Verantwortung: Selbst wenn wir es nicht so meinen – ein paar Shares oder Retweets später kann unser ursprünglicher Content eine vollkommen andere Bedeutung haben.

Ein weiterer Punkt aus Kirchers Ausführungen: Unternehmen brauchen keine (Nachrichten)Medien mehr. Sie produzieren ihre Medien selbst, erzeugen, kaufen oder recyceln ihre eigenen Contents und schaffen ihre eigenen Kommunikationsimperien. “Ich brauche Sie eigentlich nicht mehr” soll auch Dietrich Mateschitz schon nach einigen wenigen Jahren Red Bull Media House den großen deutschen Zeitungsverlagen erklärt haben.  – Das ist wohl auch ein Aspekt, der in der Diskussion um schwindende Werbebudgets für Medienhäuser eine Rolle spielen sollte; Werbung und Marketing sind heute um einiges mehr als Anzeigen. Oder andersrum: Zur sinnvollen Kommunikation für Unternehmen gehört mehr als Marketing. – Kircher: “Wer Wertvolles will (die Aufmerksamkeit der Kunden) muss etwas Wertvolles geben.”

Die Dinge anders und besser zu machen stellt aber auch einige neue Anforderungen an Unternehmen. Die Grenzen zwischen Kommunikations- und Organisationsberatung sind zusehends fliessend. Auf diesen Punkt ging vor allem Rolf Dieter Lafrenz ein. Kommunikation muss anders geplant werden – und Reaktionen müssen laufend beobachtet werden können. Kommunikation fängt dann erst mal richtig an, wenn die Botschaft draussen ist – dort wo klassische Werbung endet -, und Interaktion kann rund um die Uhr stattfinden. Shitstorms brechen mit Vorliebe am Wochenende los und sollten dann keine böse Überraschung am Montagmorgen darstellen.

Contentmarketing, Digital und Interaktion sieht Lafrenz als die großen Trends in der Unternehmenskommunikation. Und das braucht eben auch neue Formen der Organisation in der Kommunikation und manchmal darüber hinaus. Das gilt einerseits für die Zeit, vor allem aber auch für die Recherche und Produktion der Inhalte. Ein Kommunikationsverantwortlicher, der alles abdeckt – das funktioniert bestenfalls für die Reaktionsseite. Medienanfragen können beantwortet werden, Geschäftsberichte und andere Standardaussendungen können produziert werden. Interessanter Content braucht mehr. So wie Redaktionen nicht pauschal alle Themen abdecken sondern in verschiedenen Ressorts mit spezialisiertem Knowhow und unterschiedlichen Kontakten ein Produkt erstellen, liegt auch die Zukunft der Unternehmenskommunikation in Content-Desks, die in Zusammenarbeit mit Fachbereichen des Unternehmens Themen aufspüren, auf die Kommunikationsstrategie hin abstimmen und . auch in Zusammenarbeit mit Partnern – anziehenden Content produzieren. Wie diese Zusammenarbeit organisiert werden kann und ob der Content-Desk in Form einer Abteilung, als Netzwerk von Spezialisten in verschiedenen Abteilungen, unter der Führung der Kommunikationsabteilung oder als eigener Bereich angesiedelt werden kann – mit diesen Fragen beschäftigt sich auch ein aktueller Report der Altimeter Group (“Content Marketing – Feed the Beast”).

 

Eine spannende Frage ist für mich auch, welche Art von Dienstleistern sich den größten Anteil des hier entstehenden neuen Kuchens sichern wird. Werden es PR-Agenturen sein, die oft nah an Unternehmen und den Kommunikationsabteilungen arbeiten, aber oft erstaunlich wenig Sinn für Content haben? Werden es Werbeagenturen sein, die der Meinung sind, mit Digital und Interaktion am besten umgehen zu können? Oder Social Media Agenturen, die sich Interaktion auf die Fahnen schreiben? – Mein persönlicher Favorit sind Corporate Publisher: Sie haben Sinn für Content, kennen Unternehmen und sind es gewohnt, Themen aufzuspüren, und sie können mit Content Marketing zwei Fliegen auf einen Schlag erwischen: Es entstehen neue Geschäftsfelder – und auch die bisher erbrachten Leistungen werden noch einmal mit mehr Wert für den Kunden aufgeladen. Jetzt muss sich Corporate Publishing nur noch aus der bisher oft überwiegenden Print-Ecke in Richtung neuer Kanäle bewegen…

Informavores Trailer III – Doom

Es geht dem Ende entgegen. Das apokalyptische Gerede fragt vor allem nach den Gründen. Menschen mieten Luxuslimousinen für einen Tag, um sich großartig zu fühlen, statt sich armselig zu fühlen, weil das nicht zu ihrem Alltag gehört, sparen in Lebensversicherungen und Pensionsvorsorgen in der Hoffnung auf ein besseres Alter und im Wissen um fallende Zinsen, steigende Inflation und steigende Steuern, investieren in Lotterien und Aktien und posten unentgeltlich auf Facebook, in der Hoffnung, reich und berühmt zu werden und wider das Wissen, damit kleine Eliten zu fördern, die aus ihren Beiträgen und Beträgen Kapital schlagen.

Vielleicht ist das mit dem Wissen zu optimistisch.

Und dann sagt auch noch Gottfried Helnwein im großen Vice-Interview: “Die gefährlichste Waffe des Establishments ist der Überfluss. (…) Unsere einzige Chance besteht in der Vernetzung und Kommunikation. Wir müssen neue Ideen und Konzepte entwickeln. Mit Gewalt zu reagieren, ist sinnlos.” Und: “Ich weiss nicht, woher diese absurde Idee kommt, dass Großbanken altruistische, philantropische Charity-Organisationen seien, die nur das Wohl der Menschen im Auge haben, und dass sie die Einzigen seien, die über genug Weisheit, Weitsicht, Ethik und Verantwortung verfügen, um die Geschicke der Menschen zu leiten und die letzten Entscheidungen treffen zu dürfen. Diese Wahnsinnsidee hat sich mittlerweie so tief in das kollektive Bewusstsein gefressen, dass dubiose internationale Banker, Finanzinstitutionen und Rating Agencies inzwischen über den Gesetzen, den demokratischen Entscheidungen der Nationen und den Menschrechten stehen.”

Informavores beschäftigt sich mit der Frage, warum wir uns immer wieder vom Überfluss ködern lassen. Klar macht das Spass. Uns sonst?

“Die Welt driftet weg, Bankdirektoren streicheln nach Ludwig Mises benannte Laborschimpansenweibchen, Finanzmanager produzieren welterschütternde Skandale mit New Yorker Prostituierten, Broker-Trainees beenden ihre Ausbildung als mordende hirnfressende Zombies und eine Untergrundorganisation surft kiffend auf Donauwellen – Informavores ist der Krisenroman unserer Zeit.”

Es geht dem Ende zu. Das kann auch eine gute Nachricht sein – dann, wenn es ums Schreiben geht. Der Text ist hoffentlich auch bald fertig… 🙂

Mehr dazu (mit allen anderen Trailern, den bisherigen Sneak Releases und zukünftigen Updates).

Content Strategy, Content Marketing – die neuen digitalen Raketenwissenschaften?

Onlinemedien waren mal was für Designer. Spannende Oberflächen, beeindruckende Visualisierungen und ein auf die Repräsentationsfunktionen gesetzter Schwerpunkt waren die dominierenden Qualitätskriterien. Dann schlug die Stunde der Usability-Experten, die Reduktion predigten und davon ausgingen, dass Onlinemedien neben der Repräsentation auch noch andere Zwecke zu erfüllen hätten. Das nächste Zeitalter gehörte den Interaktionsdesignern und User Experience-Spezialisten: Die Zwecke von Onlinemedien hatten sich vervielfacht, reines “Klicken Sie auf diesen Button”-Surfen war langweilig geworden, und User Experience galt als aufgebohrte Usability mit dem Bonus der inhaltlichen Dimension – Nutzung soll nicht nur einfach (wobei Usability sich ja eigentlich auf “möglich” statt “einfach” beschränkt), sondern zugleich ein imageförderndes Erlebnis sein.

Das Problem dabei heute: All diese Paradigmen der Onlinemediengestaltung setzen voraus, dass die User auf eigenen, von den Experten gestaltbaren und kontrollierbaren Webseiten sind. Dabei sind sie alle auf Facebook… (oder auf anderen contentzersetzenden Like- & Share-Plattformen).

Content Strategy

Die meisten dieser Gestaltungsmittel  kommen daher heute auch am intensivsten in Onlineshops zum Einsatz. Dort reicht es schliesslich nicht, kurz mal wahrgenommen zu werden, der User soll einen bestimmten Prozess durchlaufen, der mit einem klar definierten Ziel endet. Der Vorteil dabei: Der User will hier auch etwas bestimmtes – ein Produkt zu einem bestimmten Preis und überschaubaren Versandbedingungen, und das alles in vertrauenswürdiger Atmosphäre.

Wo es “nur” um Content geht, sind die Useranliegen oft weniger klar. Entertainment, Bescheid wissen, mitreden können, gesicherte Information finden – das sind unterschiedliche Spielarten, die sich als Informationsbedürfnis zusammenfassen lassen. Ob sich die Botschaft dabei in zwei Worten zusammenfassen lässt oder ob der User ein paar Seiten lesen muss, ob der Inhalt und nennen wirs mal seine Aura dazu geeignet sind, freiwillig vom User weiterverbreitet zu werden, oder ob die Rezeption eher im Stillen passiert (was auch wieder unterschiedliche Ursachen haben kann), sind nur ein paar Charakteristika, die zeigen, wie unterschiedlich Rezeptionsmöglichkeiten sein können.

Eine andere Dimension entsteht durch die Zielsetzungen des Contenterstellers: Ist der Content mit seiner Verbreitung das Ziel, also das Medium die Gehirnmassage, oder ist Content das Lockmittel, das den User an einen bestimmten Ort bringen soll, oder ist der Inhalt der Einstieg in eine Konversation, die vom Preisgeben von Daten bis zu einem Gespräch reichen kann?

Content Strategie und Content Marketing sind zwei Techniken, die hier ansetzen. Der große Unterschied: Anstelle auf den ersten Blick erfassbarer Gesamterlebnisse (wie sie coole Designs oder neue Interaktionsmethoden bieten) geht es hier um kleinteilige Taktiken, die sich oft in bestehende Medien – also in die von anderen gestalteten Erlebnisse – eingliedern.

Statt eine eigene Community zu starten, wird die Interaktion in bestehenden Social Networks gesucht, statt ausschliesslich eigenen Content zu produzieren, bieten sich wiederholungsfreundliche Plattformen wie Tumblr an, und Kommentare sind ebenfalls eine sehr preisgünstige Form des Aufmerksamkeits-Schnorrens. Wer es sich leisten kann, vermarktet überdies crossmedial und erweckt etwa über Fernsehwerbung den Eindruck, die Facebook-Aktivitäten seien ganz toll, die ihrerseits wieder den Eindruck erwecken, die Contents, um die es eigentlich geht, sind toll. – Das klingt etwas zynisch, ist aber nur bedingt so gemeint. Den meisten Unternehmen fehlt noch die integrierte Strategie, die alle Kanäle miteinbezieht und Content vor allem in die wichtigen Prozesse des Unternehmens integriert.

Zu dieser Erkenntnis kommt auch ein aktueller Report der Altimeter Group. Content ist wichtig, aber viele Unternehmen sind dabei noch hilflos – und das ist weder ein Einzelfall noch ein Zeichen von Rückständigkeit.

Einige Highlights aus dem Report:

  • Die durchschnittliche Fortune 500-Unternehmen betreut 178 Onlinenbaustellen – von der Corporate Site über Microsites bis zu Social Media-Auftritten und Mailinglisten.
  • Die verfügbare Medienvielfalt erfordert neue Skills – sowohl aktiv, in der Produktion, als auch passiv. Medienkompetenz ist ein boomendes Trainingsgebiet auf mehreren Ebenen. “Wir brauchen einen Journalisten” als Schlachtruf von in Richtung Content aufrüstenden Kommunikationschefs ist ein Indiz für Oldschool-Strategien der Zeit der Blog-Hochblüte.
  • Einfach mitmachen funktioniert nicht. Das gilt sowohl für die eigene Strategie, die eigenen Auftritte müssen geplant sein, als auch für die eigene Planung: Content, Medienstrategie sind kein Nebenjob, sondern eine Fulltime-Beschäftigung – für mehrere Leute.
  • Richtlinien, die verteilte Teams koordinieren, Redaktionskalender für die langfristige Planung, Strategien für Kernbotschaften, Tonfall und Feeling sind wichtige Werkzeuge, ohne die weder Produktion noch Erfolgsmessung wirklich möglich sind. – Und professionelle Partner sind für den Start praktisch unverzichtbar.
  • “Wir haben da schnell was mit WordPress gemacht – auf der Corporate Seite hätten wir das in der Zeit nie geschafft”, ist eine der häufigsten Aussagen über neue Contentprojekte.
  • Und schliesslich: “A scalable and systematic approach to content strategy and content marketing has become a must-have, not a nice-to-have.”

 

Der Bericht analysiert auch verschiedene Organisationsmodelle zur Umsetzung von Contentstrategien und Contentmarketing. Eigene Contentdepartments und Content Centers of Excellence sind eine Maximalausbaustufe – mit großem Potential, aber auch großem Ressourcenaufwand.

Ein Content Lead, der mit mehreren Abteilungen zusammenarbeitet, schafft zwar Flexibilität, ist aber oft zwischen den Abteilungen auf verlorenem Posten.

Der Chief Content Officer oder Head of Digital Strategy mit Durchgriffsmöglichkeiten ist eine seltene Spezies: “It’s tough to make the case to the CMO or the board of directors to hire another very senior executive.”

Content im Sinn von Contentmarketing und Contentstrategie ist ein integralerer Bestandteil von Unternehmen als jede CI oder jeder Unternehmenswebseitenrelaunch. Hier gestalten wir nicht nur Oberflächen, sondern Kommunikationsprozesse – und die Organisation des Unternehmens: Einerseits muss schnell und von innen heraus produziert werden können. “Schreibens halt etwas über…” oder “Dann machen wir halt ein lustiges Video” als Aufträge an externe Contentlieferanten sind verschenkte Zeit. Contents sind Maßnahmen, die sich an klaren Zielsetzungen orientieren müssen – zu eng gesetzte Ziele erzeugen engstirnige Inhalte, die keine Kommunikation verursachen, sondern vielleicht ein kurzes Nicken, aber nicht mehr.

Andererseits sind Unternehmen auch selten bereit für dialogorientierte Kommunikation. Ein (möglicher) Kunde reagiert tatsächlich – was machen wir dann? Richtlinien zur Interaktion, die von simplen Freundlichkeiten (wir bedanken uns für/reagieren auf jedes Posting) bis zur auf Tempo ausgelegten Kommunikationskette ausgelegt sind, sind unerlässlich. Die Contentverantwortlichen dürfen auf der Suche nach Antworten nicht allein im Unternehmen bleiben.

Und das schliesslich verändert auch das Usererlebnis. User Experience bedeutet nicht, den User staunend vor glitzernden Digitalwelten stehen zu lassen, sondern ihn oder sie mit Medien zu bedienen, die nützlich sind. Wobei der Nutzen von Information über Bequemlichkeit bis zu Unterhaltung gehen kann und voraussetzt, dass die Nutzungsmöglichkeiten auch zu den Gewohnheiten der User passen. Wer ein Magazin auf Papier liest, macht das vielleicht gern in Ruhe und gibt sich dem Erlebnis hin, digitale Medien werden dagegen viel bruchstückhafter genutzt – und sind immer in ihrer Umgebung zu sehen: Je mehr Anknüpfungspunkte die Inhalte bieten, desto eher bleibt etwas davon beim User hängen. Anknüpfungspunkte reichen dabei vom Weiterlesen in verwandten Inhalten über das Teilen in Social Networks, Interaktionsmöglichkeiten in Bewertungen, Kommentaren oder Crowdsourcing-Initiativen bis zu Bestellmöglichkeiten.

Und was ist der Nutzen für Unternehmen? Vor noch gar nicht allzu langer Zeit war Vertrauen einer der Leitwerte für Onlineaktivitäten. Seit die Mythen vom gefährlichen Internet aber manchen Generationen kaum noch bekannt sind, verlagert sich der Schwerpunkt in Richtung Sympathie. Und hier gilt nach wie vor ein altes Mantra der Social Media-Prediger: Wer ist der sympathischere Gesprächspartner? – Derjenige, der einen gediegenen Vortrag hält und dann verschwindet, oder jemand, der auf verschiedene Themen eingehen kann, ebenso gut erzählen wie zuhören kann und auf sein Gegenüber und die aktuelle Situation eingehen kann?

Heinz Tesarek – Zwischenzeit

Es ist bald fünfzehn Jahre her, Frühling in Wien, Krieg am Balkan. Ich war Chronikjournalist bei News und einerseits neugierig, andererseits wenig begeistert von der Vorstellung, dort hinzufliegen. Mazedonien, Albanien – damals nie wirklich von diesen Ländern gehört; Karl Mays “Durch das Land der Skipetaren” war die eine Begegnung (aber auch damals schon lange her), die Vorstellung von einem unbekannten Land, strenger abgeschirmt als China, die andere.

Wir stiegen dann trotzdem in einen ziemlich versifften Flieger, der gerade Flüchtlinge nach Wien gebracht hatte und postwendend nach Skopje zurückflog, mit einer der wenigen Ausnahmegenehmigungen für den gesperrten Luftraum.

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Mit dabei war Heinz Tesarek als Fotograf. Heinz hat jetzt einen Bildband über die Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte in Osteuropa veröffentlicht. Die Bilder dokumentieren Veränderungen in zwölf europäischen Ländern, im asiatischen Teil Russlands und in den USA – vom Lehman Crash über Paris Hilton in Ischgl bis zu Obdachlosen oder Luxusmessen und überdrehten Businessparties in allen Ländern.

Heinz Tesarek

Die Ausstellung zum Buch im West 46 läuft nur noch bis 30. Juni, das Buch gibt es länger – und das ist eine ausdrückliche Kaufempfehlung

Und das war damals, 1999, der ziemlich zynische Sommerhit von Igor Dzambazov in Mazedonien.

Publishingmodelle #5: Die Verteilungsfrage

Die Publishingplattformen der bisherigen Serienteile experimentieren vor allem mit Copyrightmodellen und Finanzierungsformen. Muss aber gar nicht sein. Es braucht keine besonderen Copyrightmodelle, um Royalties als Autor direkt selbst einzustreifen – allerdings sind auch hier die Anteile sehr unterschiedlich. Die meisten Distributionsplattformen verlangen Mindestpreise, und der zwischen Distributor und Autor/Verlag angewendete Verteilungsschlüssel richtet sich, meist in Stufen, nach der Höhe des Verkaufspreises.

Publishingmodelle5

Auf den ersten Blick ist also Reichweite gegen Gewinnanteil abzuwägen – wobei auch das ziemlich egal ist: Auch auf der größten Plattform mit dem meisten Traffic können Produkte friedlich unentdeckt dahindösen. Was zählt, ist die eigene Reichweite.

Und: Den Micropublisher hindert niemand daran, mehrere Distributionsplattformen seiner Wahl zu nutzen.

Die aktuell erschienen re:publica-Reader machen das vor: Die ebooks wurden in sieben ebook-Shops zugleich publiziert.

  • Amazon ermöglicht Autoren die Wahl zwischen zwei Preisbereichen: Bei Preisen zwischen 0,99 und 200 $ streift Amazon 65 Prozent ein (dem Publisher bleiben 35%), bei Preisen 2,99 und 9,99 $ kassiert Amazon nur noch 30%. ePubs können direkt bei Amazon erzeugt oder konvertiert werden.
  • iTunes und der iBookstore unterscheiden zwischen Paid und Free Accounts für den Vertrieb von ebooks. Paid Accounts, mit denen kostenpflichtige Bücher vertrieben werden können, erfordern eine US Tax ID (die online angefordert werden kann).  iTunes behält üblicherweise 30% vom Umsatz. iBooks können entweder als ePub oder über die iBook Author App erzeugt werden.
  • Smashwords ist eine eigene Verteilungsplattform und bietet zugleich auch die Weiterleitung der über Smashwords publizierten Bücher an den iBookstore, Barnes&Noble, Kobobooks und andere ebook-Shops an. Smashwords bietet kostenlose ISBNs, akzeptiert die üblichen ebook-Formate und hat zwei Arten von Autorenhonoraren im Angebot: Umsätze direkt auf smashwords.com gehen zu 85% an den Autor (das sitz der bisherige Rekord), über andere Plattformen generierte Umsätze zu 60%.
  • epubli, ein Unternehmen der Verlagsgruppe Holtzbrinck und Partner der re:publica für das Reader-Projekt, bietet eBooks und Buchdruck an. Die kostenlose ebook-Variante (pdfs im epubli-Store) bietet Autoren 80% vom Verkaufspreis; für ePubs, die zugleich auch über Amazon, Apple und andere große Stores vertrieben werden, bietet epubli 60% vom Verkaufspreis – und verlangt eine jährliche Gebühr von 19,95 €. Zu ähnlichen Konditionen können zugleich auch Print-Bücher vertrieben werden. – Allerdings mit weit niedrigerem Autorenhonorar: Eine Beispielkalkulation (Taschenbuch, 300 Seiten, 200 Stück) ergab eine empfohlene Honorarbandbreite zwischen 2,05 € im ePubli-Store und 0,01 € bei Amazon…

Und nicht zu vergessen: ePubs können auch einfach direkt über den eigenen Blog angeboten werden… 🙂 Downloaden, im Kindle, in der Kindle-App oder auf dem iPad im iBookstore öffnen und lesen…

 

Downloads

Pre-Release 1 (pdf)

Pre Release 2 (pdf)

Pre Releases als ePub für iBooks und Kindle

Informavores Sneak Release 2

Download ePub

Informavores Sneak Release 2

Download ePub

Banken machen glücklich. Informavores – Sneak Release 2

Es ist ein Eingriff in eine intime Beziehung: Bankkonten angreifen? Guthaben einfrieren oder einziehen? – Die Wirren um eine Lösung für Zypern und die Reaktionen darauf zeigen vor allem: Wir haben unsere Beziehungen zu unseren Banken so verinnerlicht, als wären es keine multinationalen Riesen, die mit Geld kaum verständliche Netze spinnen, sondern noch immer die Sparschweine, in die wir als Kinder vertrauensvoll Taschengeld eingeworfen haben – und in denen es tatsächlich nicht weniger geworden ist.

Banken machen glücklich

Staatliche Eingriffe in Bankkonten – erst hat’s mal niemand geglaubt. Dann dämmerte langsam: Die meinen das ernst. Und vielleicht ich es auch nicht so falsch: Profil-Chef Christian Rainer leitartikelte “Schröpft die Sparer” und argumentierte, dass die Sparer, die jetzt draufzahlen sollen, lange von den schrägen Geschäften und den bislang hohen Zinsen profitiert haben. Das Gegenargument folgte auf dem Fuß: Wovon, wenn nicht von den Banken, soll Zypern eigentlich leben? Und jetzt ist es heraussen: Einlagen können ohnehin nicht gesichert werden – Geld ist dafür viel zu ungleich verteilt; auf den Konten innerhalb der EU liegt mehr Geld, als die EU jemals garantieren könnte.

Banken machen also glücklich; Eingriffe und Verantwortung für schiefgelaufene Geschäfte sind feindliche Attacken. Eine vorweggenommene Vision, um die es auch in “Informavores” geht. Zinsen als das Fundament von Wirtschaft und Finanzdienstleistung setzen auf Gier und Erwartung – was, wenn beides einmal nicht mehr die Triebkraft besitzt, die es heute hat? Weil Dinge weniger planbar werden, unvorhergesehene Gegenreaktionen das zur Fessel gewordene Vertrauen in Frage stellen und klar wird, dass Wachstum nicht unendlich sein kann und dass “mehr” nicht nur in Zahlen und Beträgen gemessen werden kann? Welche Gegenreaktionen sind zu erwarten, wer überblickt und entscheidet dann noch und wie viel Information muss eigentlich gesammelt werden, um diese Schieflage zu beheben?

Antworten gibt es hier keine – aber die zweite Sneak-Release zu “Informavores” – diesmal auch als ePub für iBooks oder Kindle. Gratis gegen einen Tweet oder Facebook-Share – einfach den Button klicken, sharen und downloaden.

Informavores Sneak Release 2

Wer lieber pdfs nutzt, findet hier alle verfügbaren Downloads.

Publishingmodelle Spezial: Tisch 14

Jeden zweiten Mittwoch tagt im Wiener Café Rüdigerhof die Comiczeichnerrunde Tisch 14. Und weil nur reden auch nichts bringt, gibt es Tisch 14 auch als Heft in der mittlerweile vierten Ausgabe.

Manchmal sind es Schwerpunktausgaben, manchmal themenunabhängige Hefte, und immer ein guter Überblick darüber, was die heimische Comicszene zu bieten hätte wenn – ja wenn das ganze nur irgendwie ein Geschäft wäre.

Jedenfalls: Kaufen, (Ausgabe 5 kommt schon bald) und nicht nur Comics, sondern auch independent publishing unterstützen.

Tisch14 Comics

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Publishingmodelle #4: Crowdfunding und das Recht

Die meisten der Publishingmodelle bisher hatten in irgendeiner Form mit Crowdfunding zu tun. Und: Sie waren nicht aus dem deutschsprachigen Raum. Das hat seine Gründe. Vor allem in Österreich ist die Rechtslage rund um Crowdsourcing dermaßen restriktiv, dass projektbezogenes Crowdfunding praktisch unmöglich ist. – Ohne Banklizenz geht nichts.

Crowdfunding

Das Entgegennehmen von Geldeinlagen, für die keine Produkte oder Dienstleistungen ausgeliefert werden, sondern die erst einmal gesammelt und verwahrt werden, wird also gleich behandelt wie ein Sparbuch. Das ist lustig, vor allem, weil die Einlagegarantien um einiges sicherer sind als die einer Bank – wenn das Projekt nichts wird, die Finanzierungsgrenze nicht erreicht wird, dann wird das Geld nic in Anspruch genommen. Auch die Renditeerwartungen sind vorhersehbarer: Es wird das Projekt geben – oder eben nicht, wenn die Finanzierung nicht erreicht wurde. Und Transparenz – was passiert eigentlich mit meinem Geld? – ist etwas, worum sich Banken gerade erst bemühen.

Dass Crowdfunding zur Unternehmensfinanzierung praktisch ausgeschlossen ist, musste GEA-Chef Heini Staudinger unter großem Aufsehen zur Kenntnis nehmen. Meine naive Annahme, dass die Sachlage bei einem auf Crowdfunding basierenden Verlag anders sein müsste, wurde auch schon beim ersten Nachfragen zunichte gemacht. Ernst Brandl, Anwalt in der Kanzlei Brandl & Talos: “Die Einschränkungen gelten in diesem Fall genauso.” Das heisst: Crowdfunding an sich nur mit Banklizenz, Ausnahmen sind nur dann möglich, wenn die durch die Einlagen entstehende Rechtskonstruktion irgendein Joint Venture-Beteiligungsmodell ergibt.
Nachdem, wie letzte Woche hier zu lesen war, Buchprojekte wie Startups behandelt werden sollen, spornt mich das an. Es rotiert auf jeden Fall…

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