Ostafrika: Zukunft auf dem Motorrad

„Was für ein Nischenthema“ – damit müssen wir immer wieder selbst beginnen, wenn wir unser Foto- und Reportagebuch „The Big Boda Boda Book“ vorstellen. Ein eigenes Buch über die Lebenswelt ostafrikanischer Motorradtaxis?
Tatsächlich.
Allerdings sind die Motorradtaxis in Kenia und Uganda nicht nur ein farbenfrohes Phänomen am Straßenrand – Fahrer werben mit bunten Dekorationen um Fahrgäste – sondern auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor der Region. Studien der Makerere Universität in Kampala zufolge leben zwei Millionen Menschen von den Boda Boda Branche – das sind fünf Prozent der Bevölkerung. Zum Vergleich: In Österreich leben fünf Prozent der Bevölkerung von der Landwirtschaft.
Porträts der Boda Boda-Fahrer sind somit Porträts des Alltags in Afrika.
Was diese Tatsache unterstreicht: Google bietet seit dieser Woche erweiterte Navigationsservices für Motorradfahrer an, ein Service, das vorerst nur für Ostafrika mit dem Schwerpunkt in Kenia angeboten wird.
Boda Bodas sind das wichtigste Transport- und Verkehrsmittel in Ostafrika, die Motorräder sind die einzige Möglichkeit, durch den zum Ersticken dichten Verkehr in den Städten zu kommen oder über holprige Staubpisten abgelegene Dörfer zu erreichen. Es gibt nichts, was nicht mit Boda Bodas transportiert werden könnte – seien es Kinder auf dem Weg zur Schule (in Ermangelung eines Schulbusses), ganze Familien, Bettgestelle, dutzende Wasserkanister – oder sogar Tote auf ihrem letzten Weg (sei es im quer über den Sattel geschnallten Sarg oder eingeklemmt auf dem Sattel zwischen Fahrer und Begleitperson).
Die Branche ist eine der wenigen Zukunftsperspektiven für junge Menschen in einer Region, in der es praktisch keine Jobs gibt. Auf das Motorrad zu steigen, ist für Jugendliche ein ganz klarer Zukunftsplan, und viele ältere Fahrer haben noch nie in ihrem Leben etwas anderes gemacht.
Die Fahrtrouten sind oft abenteuerlich. Die Motorräder sind schwer bepackt wie Lastwägen und nehmen in der Stadt oft Abkürzungen über Verkehrsinseln, Grünstreifen, Gehsteige, Hinterhöfe oder sogar Stiegenabgänge, am Land sind es Staubpisten, trockene Flussbetten oder in der Regenzeit schlammige Rinnsale. Hier setzen die zusätzlichen Navigationsfunktionen von Google an, um alternative, aber noch sichere Routen zu empfehlen.
 
The Big Boda Boda Book ist ein Bild- und Reportageband, der die Branche portraitiert, Geschichten vom Alltag in einer von Afrikas Millionenstädten erzählt und junge Ugander auf ihrem oft holprigen Weg zum Kleinunternehmer begleitet. Für das Buch haben wir über zwei Jahre hinweg mehr als 50 Interviews geführt, Fahrer und ihre Familien besucht und Material gesammelt, um ein Stück afrikanischen Alltag verstehen zu lernen.
 
Das Buch gibt es hier oder im guten Buchhandel.