4 Hours


I’ve read (parts of) Tim Ferriss’ “4 Hour Workweek” and I’m really disappointed. That’s it? Get rid of time wasters, focus on what you want to achieve and outsource/delegate whatever you can.
I’m a big fan of outsourcing and reducing stuff, but these nice visions of global mega-efficiency tend to forget one thing: The world consists of more than the US and the emerging markets like India, China or Brazil.
If you need support for non-english-speaking tasks, (eg. researching social insurance regulations for freelancers in Austria) you will pretty fast feel as marginalized as if you were living in, say, Belize or Albania.
I’m sure that Chinese or Indian outsourcing companies/personal assistants will learn German faster than local authorities will learn English, but that’s probably still not fast enough.
And I’m still somewhat distanced to outsourcing or delegating everything, because I feel more comfortable if I really understand things, if I really know how they are. I don’t see another way of getting there but going long parts of the way on your own. Everything else feels like some kind of disposable throw-away-life to me: If you’re a Tango Dancer today, a Scuba-Diver tomorrow and a Kickboxer on the next day, you are most probably none of all these. To me, that provides as little experience as watching TV – and it turns you in the same dependent and helpless state. You always need others. – As a kind of counterposition to Tim Ferriss, I recommend Matthew Crawfords “The Case of Working with Your Hands – Why Office Work is Bad for Us”.

However, there are two silver linings appearing on the horizon after reconsidering Ferriss’Book:

  • It’s another voice that emphasizes the importance of doing instead of talking. And especially of doing what matters for you – not for others, for your jobs or for what you should be. That’s an Agent’s attitude.
  • And second: If things continue in Germany as they are, we can probably start outsourcing cheaply there…

PS: I have not read the “4 hour body” yet, but I’m somewhat surprised: “4 Hour workweek” sounds promising, but to be honest: who spends four hours a week (or more) on physical workout?
PPS: I do…


Strategien zur Einschaetzung von Vertrauen online (Edumedia Tagungsband)


Vertrauen ist ein wichtiges Bindemittel in Organisationen: Vertrauen fördet Kooperation, Offenheit und Lernen. Welche Rolle spielen Onlinemedien bei Aufbau und Ausbau von Vertrauen? Eine kurze Untersuchung zeigt: Es gibt wenig genuin onlinespezifische Kriterien von Vertrauen. Abriss einer Untersuchung zu den philosophischen Grundlagen von Vertauen in Onlinemedien.

Trust Exchange Research

Dieser Text gibt einen Abriss einer kleinen Studie zu Vertrauen in Onlinemedien. In einem zweiten Teil stecke ich kurz den Rahmen für eine laufende Untersuchung der Grundlagen von Online-Vertrauen ab.

Ausgangslage: Vertrauen im Brennpunkt

Der Direktor des Havas Media Lab und Harvard Business Review-Blogger Umair Haque veröffentlichte im März 2010 einen provozierenden Post mit dem Titel “The Social Media Bubble”, in dem er einige Mythen und vermeintliche Erfolgsstories rund um Social Media in Frage stellte. Einer der grossen Kritikpunkte: Vertrauen.
“Trust: If we take social media at face value, the number of friends in the world has gone up a hundredfold. But have we seen an accompanying rise in trust? I’d argue no. Now, perhaps it will take time for gains to be visibly felt. But social networks have already been around for half a decade, and society seems to be little better off.”
Vertrauen nimmt grundsätzlich ab, also können neue Onlinemedien, deren Verbreitung grundsätzlich zunimmt, keine deutlich positive Auswirkung auf das Entstehen von Vertrauen haben, so die Schlussfolgerung.

Das Trustbarometer 2009 der Public Relations Agentur Richard Edelman listet differenzierte Veraenderungen in der Ausprägung von Vertrauen auf. In vielen Bereichen sinkt die Bereitschaft, zu vertrauen, in vielen Staaten haben sich Vertrauenswerte auf allen Ebenen verschlechtert. Signifikante Ausnahmen sind einige Länder Südamerikas, vor allem aber Korea: Gegen den Trend haben sich Vertrauenswerte hier verbessert. – Diese Länder weisen die weltweit höchsten Zuwachsraten in der Nutzung neuer Onlinemedien auf. Vermehrte Kommunikation in diesen Kanälen, so die Schlussfolgerung, erhöht die Bereitschaft, zu vertrauen.

“When did we start trusting strangers” der dritte Teil der Onlinemedien-Studie von Universal McCann, kommt zu dem Schluss, dass neue Beziehungen, die durch Social Media entstehen und in Social Media sichtbar werden, starke positive Wirkungen auf Vertrauen haben können. Das Prinzip scheint einfach zu sein – und gar nicht cyberdemokratisch: Wer am lautesten spricht, wird am meisten wahrgenommen. Die sogenannten Superinfluencer kommunizieren überdurchschnittlich viel, haben ein weites Netzwerk und werden überdurchschnittlich oft um Rat gefragt.
Die Daten: Sie empfehlen besonders häufig Filme, Musik und Heimelektronik (jeweils ueber 55% der Befragten). Das sind umgekehrt auch die Bereiche, in denen sie am seltensten nachfragen (jeweils unter 25% der Befragten).
Superinfluencer sind deutlich überdurchschnittlich aktiv (Indexwert bis über 150) darin, ihre Meinung weiterzugeben, Neues auszuprobieren.
Offenheit, Transparenz oder Detailwissen spielen keine gewichtige Rolle. Im Gegenteil: Genau Bescheid zu wissen findet sich als nur knapp überdurchschnittlich wichtig (Index 108) am unteren Ende der Skala wieder, knapp geschlagen vom ebenfalls gering ausgeprägten Qualitätsbewusstsein. (Mehr ueber Superinfluencer)

Diese drei Beispiele illustrieren, dass Vertrauen ein wichtiges und kontrovers diskutiertes Thema in der Auseinandersetzung mit Onlinemedien ist.
Zusammengefasst: Die Breitenwirkung von Social Media-Nutzung hat keine direkte positive Auswirkung auf Inhalte oder inhaltliche Qualität. Dialog, Partizipation, Auseinandersetzung sind vermutete Qualitäten, die sich so nicht nachweisen lassen. Dennoch besteht diese Hoffnung.

Wo das Gespräch begonnen wurde, wird es fortgesetzt.
Je öfter wir etwas hören, desto eher sind wir geneigt, es zu glauben

Analyse: Werkzeuge zur Konstruktion von Vertrauen

Social Media, so eine Hypothese, stellen nun nicht diesen Grundsatz in Frage, sie können aber erstens Einfluss darauf haben, was wir wie oft hören, zweitens geben uns neue Onlinemedien Mittel in die Hand, selbst zu beeinflussen, was wir hören wollen.
Der erste Szenario spielt auf die Verfügbarkeit von Produktionsmitteln an: Potentiell jeder kann in Text, Bild oder Video ein Medium starten, das potentiell weltweit erfolgreich ist. Das zweite Szenario zielt auf den Umgang der User mit Information ab: Wir können mit RSS-Readern, Ratings, Empfehlungen und unseren Netzwerken als Filter ganz genau steuern, was wir lesen.

Schafft das onlinespezifische Kriterien für Vertrauen?
Um diese Fragen in einer online-affinen Testgruppe, die diese Funktionen nutzt, zu untersuchen, wurden in einer qualitativen Mini-Analyse drei einfache Fragen per Mail an eine Zielgruppe von ueber 500 Adressaten per Mail verschickt; zusätzlich wurden Aufrufe auf der-karl.com, Facebook und einigen Partnerblogs veröffentlicht. Die 500 Emailempfänger wurden aufgrund ihrer Onlineaktivitäten ausgewählt, wichtige Quellen waren z.B. die Teilnehmerlisten von Barcamps (u.a. barcamp.at, barcamp.sk, blogcamp.ua, barcampcaspian.org).
Die Fragen:

  • Whom do you trust online?
  • What is your trust built on?
  • What difference does trust make?

Einige der ausführlicheren per Mail einlangenden Antworten wurden auf theMashazine veröffentlicht.
Alle Antworten bestätigen den in den Edelman- und UniversalMcCann-Studien festgestellten Trend: Wir vertrauen den grossen Namen und dem, was wir schon kennen. Einige Beispiele (aufgrund des qualitativen Charakters der Umfrage verzichte ich auf statistische Ergänzungen):
“Huge institutions which have a certain publicity”
“For transactional sites, it depends on the brand and the ease of use of the site.”
“Transparency- I want to know the person’s real name, and a photo makes a big difference”
“Big brand names, Media we know from other channels (print)”
“Large organisations with wide public visibility which, should they violate trust in general, would get sufficient PR coverage so that I know about it or PR damage so they do not abuse trust.”

Sichere Verbindungen, Privacy Statements und Gewährleistungen sind technische Analogien in der Onlinewelt, zur Förderung von Vertrauen. Ihre Anwendung finden sie ebenfalls in der Interaktion mit grossen Playern. (vgl auch Ljung, Walforss 2008)
Ausdrücklich vertrauenswürdig sind Institutionen, die zur Sorgfalt verpflichtet sind (Banken, Kreditkartenunternehmen, grosse Onlinehändler), oder Marken, die so gross sind, dass sie sich keine Probleme leisten koennen: Jedes Sicherheits- oder Vertrauensproblem würde sofort Wellen schlagen.

Die relevantesten Kriterien für Online-Vertrauen sind also nicht onlinespezifisch. Das führt mich dazu, einen Schritt zurückzusteigen. Die Frage lautet nun nicht mehr: Wem vertrauen wir online und wie laesst sich Vertrauen in Onlinemedien fördern? Die neue Fragestellung ist: Warum gehen wir davon aus, dass Onlinemedien in einem positiven Zusammenhang mit Vertrauen stehen?

Warum ist Vertrauen im Zusammenhang mit Onlinemedien wichtig?

“Dialog schafft Vertrauen” – unter dieses Motto stellte der Direktmarketingverband Oesterreich (DMVÖ) seine Jahrestagung 2009 und legte dabei besonderes Augenmerk auf Online-Massnahmen.
“Trust Agents – Using the Web to build Influence, improve Reputation and earn Trust” von Chris Brogan und Julien Smith führte wochenlang die Bestsellerliste der New York Times an.
Auch mit entgegengesetzten Thesen lässt sich Aufmerksamkeit erzeugen: Jaron Laniers vielbeachtetes “You are not a gadget” wehrt sich massiv gegen die Annahme, Social Media könnten die Qualität unserer Beziehungen verbessern.
Umair Haques Interpretation von fehlendem Vertrauen in der Welt als Scheitern von Onlinemedien wurde bereits angesprochen.

Wir haben uns daran gewöhnt, zu akzeptieren, dass Onlinemedien gut für Demokratie, Wohlstand und Vertrauen sind. – Ebenso, wie wir uns daran gewöhnt haben zu unterstellen, dass das Internet dumm macht, dass Geschäftsmodelle online nahezu ausschliesslich werbefinanziert sind, dass das Web eher ein Marketing- als ein Innovationsinstrument ist, und dass die Gesetze des Marktes hier besonders ungefiltert zum Tragen kommen (im Guten wie im Schlechten).

Dimensionen von Vertrauen

Diese Dissonanz ist hier nicht Thema. Ich bin auf der Suche nach den verschiedenen Dimensionen und Voraussetzungen, die uns in Onlinemedien vertrauensstiftende Kräfte vermuten lassen.
Ich versuche, die Problemstellung in verschiedene Dimensionen zu zerlegen:

Die deskriptive Dimension

Wir können Dialog und Offenheit in den Vordergrund stellen. Aus dieser Perspektive ist relevant, dass Information nahezu überall nahezu frei verfügbar ist, dass wir alles hinterfragen können und mit einfachen Mitteln grosse Mengen an neuem Wissen erschliessen können.
Onlinemedien gelten hier als gleichmässig verfügbare Produktionsmittel, als interaktive Kanäle, die sofortige Rückmeldung (und auch Korrektur) erlauben, als Mittel, neue Wege und Horizonte zu erschliessen.
Aus dieser Sicht fördern Onlinemedien Vertrauen, weil sie keine unbelegten Behauptungen zulassen, weil sie Themen setzen, und weil sie aus verschiedenen Perspektiven Teile von Realität darstellen.
Die Kommunikationskonzepte dahinter bauen auf Rationalität, Fairness, Verständigung und auf die Anerkennung gemeinsamer Werte; die Grundeinstellung ist fortschrittsorientiert. (Beispiele – wenn auch vielleicht gewagt – sind Habermas’ ideale Gesprächssituation, Gadamers Auffassung des Dialog oder Vilem Flussers Unterscheidung von dialogischen und diskursiven Zielen von Kommunikation (vgl. Münker 2009))
Vorausgesetzt ist, dass Offenheit und Vertrauen relevante Werte sind; dann wird abgeleitet, dass diese auch von Onlinemedien unterstützt werden.
Der Zusammenhang zwischen Onlinemedien und Vertrauen ist in diesem Fall ein direkter und deskriptiver: Durch den Einsatz von Onlinemedien können wir uns mehr Sicherheit und Gewissheit ueber die Welt verschaffen, also können wir auch eher vertrauen. – Beide Seiten, Vertrauen und Onlinemedien, sind positiv besetzt und verstärken einander.

Die normative Dimension

Eine andere Perspektive setzt ebenfalls voraus, dass Vertrauen wichtig ist. Allerdings kommt eine zweckorientierte Komponente dazu. Vertrauen ist kein Wert an sich, sondern ein wichtiges Mittel, um bestimmte Ziele zu erreichen. Wem eher vertraut wird, der verkauft mehr, der kann schneller zur Sache kommen – oder der muss weniger investieren, um beachtet zu werden. Marek Kohn stellt in seiner Studie “Trust”dar, dass zum Erreichen von Vertrauen das Aussenden teurer, aufwändiger Signale notwendig ist, zum Erhalt genügen dann dagegen in der Regel günstigere Signale.
Das ist z.B. die Perspektive eines Unternehmens auf der Suche nach dem Vertrauen potentieller Kunden. Wer Vertrauen hat, kauft schneller und ist auch eher bereit, positive Nachrichten zu verbreiten. Wer nicht vertraut, verbreitet eher negative Nachrichten und sieht keinen Grund, positive Nachrichten zu verbreiten. Onlinemedien als schnell verfügbare Kommunikationsmittel mit grosser Reichweite tragen dazu bei, diese Effekte schneller in die eine oder andere Richtung weiterzutragen.
Der Zusammenhang zwischen Onlinemedien und Vertrauen ist aus dieser Perspektive normativ: Onlinemedien sollen Vertrauen fördern, weil das wichtig ist. Die Fragestellung dabei ist nicht, aus welchem Grund positive Wirkung beschrieben werden kann, sondern wie ein positiver Zusammenhang hergestellt und verstärkt werden kann.
Onlinemedien sind wichtig – weil sie uns schaden könnten. Im Vordergrund stehen Kontrolle, Manipulation und, positiver gesehen, ausgleichende Wirkung: Onlinemedien in Hinblick auf Vertrauen als wichtigen Wert zu betrachten bedeutet, Beziehungen zu gestalten – und ernst zu nehmen.

Die produktive Dimension

Eine dritte Perspektive: Onlinemedien sind ein Mittel, Realität zu gestalten. Produktion, Vernetzung, Beurteilung von Inhalten, Usern und Beziehungen schaffen neue Räume. Onlinemedien verändern – nur mit welchem Effekt? “Am I accusing all those hundreds of millions of users of social networking sites of reducing themselves in order to be able to use the services? Well, yes I am”, schreibt Jaron Lanier in seinem Manifest “You are not a Gadget”. Vernetzte Kommuniktion als Möglichkeit, mit neuen Horizonten in Beruehrung zu kommen, ist eine Sichtweise, die der Philosoph Charles Ess untersucht. Eine seiner zentralen Fragestellungen: Sind Onlinemedien ein Mittel, erweiterten Horizonten und komplexeren Beziehungen besser gerecht zu werden?
Reduktion oder Verdinglichung ist eine Konsequenz, Erweiterung, die Herstellung und das Sichtbar-Machen neuer Beziehungen eine andere – und dabei müssen nicht immer Widersprüche auftreten.
Onlinemedien sind ein Mittel, mehr zu erfassen, mehr Information zu produzieren. Sie erhöhen die Chance auf Kontakte. Kontakte betreffen exponierte Eckpunkte. Es kommen nie alle Punkte in Berührung – Verständigung findet dort statt, wo kleine Teile deckungsgleich sind, oder wo – durch einen gemeinsam akzeptierten Rahmen – Differenzen klar vermessen werden koennen.
Onlinemedien erhöhen die Chance auf die Anzahl möglicher Kontakte, sie tragen aber wenig zu deren Intensität und Qualität bei: Veröffentlichte Information ist immer gefiltert. Je strenger die Regeln, desto grösser die Reichweite, gilt oft. Genau hier setzt Laniers Kritik an: Netzwerke wie Facebook laden dazu ein, das Leben auf ausfüllbare Formulare zu reduzieren. Im Gegenzug bekommen wir grosse Reichweite für wenig Aufwand. Der andere Zugang, starke persönliche Elemente zu schaffen, ist grundsätzlich genauso leicht möglich. Die Verantwortung der Verbreitung liegt dann aber beim Autor.
Was bedeutet diese Perspektive für die Relevanz von Vertrauen in Hinblick auf Onlinemedien? Der gestalterische Aspekt lässt neue Potentiale entstehen, manchmal neue Wege und neue Kommunikationsformen. Auch auf gewohnten Wegen und in gewohnten Formen überschreiten wir online häufiger Grenzen. Dabei verlieren wir die gewohnten Absicherungs- und Qualitätssicherungsmechanismen. Was wir nicht kennen, was anders ist oder was nur minimale – aber scheinbar wichtige – Berührungspunkte mit uns hat – dem müssen wir vertrauen. Uns fehlen Zusammenhänge und gesicherte Berichte über erfolgreiche Vorgangsweisen.
Vertrauen wird hier zu einem wichtigen Faktor in der Erkenntnis: Einiges ist nicht sinnvoll hinterfragbar. Wer einen Schritt weiterkommen will, muss in manchen Fällen vertrauen. Das bezieht sich weniger auf die soziale Komponente von Vertrauen – das ist eine erkenntnistheoretische Problemstellung: Wir können nicht alles selbst erfahren oder falsifizieren, also sind wir auf andere – und damit auf Vertrauen – angewiesen.
Prägnante Ausformulierungen dieser Idee sind auf der einen Seite Ilia Kassavines “Soziale Erkenntnistheorie”, auf der anderen Seite Martin Kuschs “Knowledge by Agreement”. Während Kassavine die soziale Wirkung von Mythen und Archetypen auf Kommunikation und Erkenntnis untersucht, geht Kusch der Frage nach, welchen Stellenwert Verhandlung, Zustimmung und Abstimmung in der Bewertung von Wissen haben. Gemeinsam ist beiden – und der dritten Perspektive auf Vertrauen – dass klar dokumentierte Erkenntnisprozesse zwischen Subjekt und Gegenstand überschritten werden.
Vertrauen hat in dieser Sichtweise starke erkenntnisbezogene Implikationen.

Drei Sichtweisen – drei Disziplinen

Die drei Sichtweisen stecken einen Rahmen für die Untersuchung des Themas anhand philosophischer Disziplinen ab.

Vertrauen als Qualitätskriterium von Kommunikation ist Gegenstand sozialer, praktischer Philosophie.
Fragestellungen sind:

  • Welche Merkmale von Onlinekommunikation erfüllen den Anspruch, Vertrauen zu fördern?
  • In welchen Werteuniversen gelten diese Zusammenhänge?
  • Wie können Widersprüche in der Wahrnehmung von Onlinekommunikation – etwa im Übergang zur manipulativen Komponente von Vertrauen – aufgelöst werden?

Vertrauen als Katalysator und als Kontrollmechanismus braucht eine ethische Perspektive.
Die wesentlichen Fragestellungen aus ethischer Hinsicht sind:

  • Wie zielorientiert können/dürfen vertrauensbildende Massnahmen online sein?
  • In welchem Verhältnis stehen Vertrauen und Macht im Internet? – Braucht Macht Vertrauen? Oder bildet Vertrauen Macht?
  • In welchem Verhältnis stehen Vertrauen und Hoffnung?
  • Und schliesslich: Was sind die Konsequenzen von (fehlendem) Vertrauen?

Vertrauen als produktiver Faktor ist ein Thema der Erkenntnistheorie.
Auch in Hinblick auf Onlinemedien gelten die Fragen:

  • Wie sicher wissen wir, was wir wissen?
  • Welche Analogien können wir in die Onlinewelt hinüberretten?
  • Mit welchen Mechanismen können wir online vertrauenswürdige Bedingungen konstruieren?
  • Wieviel Zusammenhang brauchen wir, um logische Ableitungen, Ursache und Wirkung erkennen zu können?

Hypothese

Online haben wir immer zugleich zuviel und zuwenig. Zuviel und zuwenig Information, zuviel und zuwenig Beziehungen, zuviel und zuwenig Möglichkeiten. Wir können alles sehen, aber nichts damit machen, haben viele Kontakte, aber wenig Verbindlichkeit, lernen viel, aber immer nur aus unserer Perspektive.
Im Versuch, Onlineinformation zu bewerten, lassen sich zwei entgegengesetzte Strategien festmachen:
Reduktion – Jeder kann veröffentlichen, grosse Reichweiten erzielen, unabhängig von Herkunft, Status oder konkreten Inhalten. Onlinemedien bringen keine Voraussetzungen mit und brauchen keine Voraussetzungen – sie bestehen aus Inhalten.
Historische Kodifizierungen (die uns Urteile fällen lassen wie: Schundroman, Yellowpress, Qualitaetszeitung) die optische, redaktionelle und finanzielle Reize mitbringen und auslösen, sind online noch nicht etabliert.
Onlinekommunikation ist von Nebengeräuschen befreit und mehr auf die Substanz bezogen. Direkt, offen und unabhängig – das ist eine Sichtweise.

Aggregation – Onlinemedien vernetzen und verbinden. Kein Informationsbruchstück besteht für sich alleine; es sind das Wesen von Onlineinformation, vernetzt zu werden. Fortlaufende Vernetzung erweitert, fügt Bestandteile zusammen und sorgt für grössere Zusammenhänge. Vernetzung ermöglicht erst Verständnis. Aggregation ist nicht nur Vernetzung, sondern auch ein Mittel zur Qualitätssicherung. Onlinemedien stellen direkte Bezüge zu Quellen her, Referenzen und Verweise ermöglichen sofortige Plausibilitätschecks. – Das ist eine andere Sichtweise.

Reduktion als Verzicht auf Kontext und Aggregation als Aufbau von Kontext sind zwei entgegengesetzte Strategien, die sich beide als vertrauensfördernd in die Pflicht nehmen lassen.
Dekontextualisierung (Reduktion) steht für Konzentration, für den Verzicht auf Manipulation, für direkten Zugang und direkte Gewissheit.
Rekontextualisierung (Aggregation) steht für Absicherung durch Referenzen, für die Darstellung von Beziehungen, für die Einbettung in einen Zusammenhang von Ursache und Wirkung, für das Anerkennen von Konsequenzen.
In Onlinemedien, so die Hypothese, sehen wir deshalb so viel vertrauensförderndes Potential, weil wir hier beide Strategien gut argumentieren können. Was das über die Qualität von Vertrauen online sagt, ist Thema der laufenden Untersuchung.

Ausblick

Online gibt es noch viel Definitionsspielraum. Medien und Werkzeuge suchen ihre Identität und ihre Businessmodelle. Wir sind – noch nicht oder nicht mehr? – einig, ob Onlinemedien produktive freie Kanäle sind oder doch nur manipulative Marketingmittel. Onlinemedien zeigen direkte Auswirkungen auf die Welt – oder sind sie in Wahrheit so auf sich selbst beschränkt, dass jedes Überschwappen in die „reale“ Welt berichtenswert erscheint? Als User macht uns das Web praäsenter und produktiver – oder doch nur realitätsfremder und egoistischer?

Wir wissen es nicht. – Wo Grenzen sichtbar werden, ist Vertrauen wichtig. Und Onlinemedien werden zunehmend zu unserem primären Grenzerkundungsmedium.

***

The Gap: Meine Top 10


Im aktuellen Gap darf ich auch mal meine aktuellen Charts platzieren.
An dieser Stelle danke fuer die Einladung, und ich moechte die Gelegenheit nutzen, allen die es noch nicht kennen, das leicht erneuerte Gap ans Herz zu legen: inhaltlich grossflaechig, schoen aufgebaut und auch wieder fuer aeltere Leute (wie mich…) lesbar. Richtig lesbar, nicht bloss zum Blaettern.

Und was meine Top Ten Tasks fuer den Fruehling betrifft: Eh. Ich bemueh mich, dem Hund geht’s gut, das Maeuseproblem ist fast im Griff, und da faellt mir ein: In Sachen Buchvermarktung bin ich schwer im Rueckstand… 🙂

Medien-Businessmodelle – Wer ist hier der Looser?


Ich habe einen Verdacht: Vielleicht sind gar nicht Verlage daran gescheitert, ein kommerziell erfolgreiches Modell fuer die Onlineverwertung ihrer Inhalte zu finden. Vielleicht ist es eher die Schwaeche von Onlinemedien, noch immer keine Praesentationsform fuer Inhalte gefunden zu haben, die einen Wert vermittelt, fuer den man bezahlen wuerde.
Mal ehrlich: Wie kopflastig sind Onlinemedien? Natuerlich funktionieren sie, Usabilitystandards etablieren sich und rational betrachtet ist alles ok, aber welche Webseiten machen auf Grund der Aufbereitung ihrer Inhalte Spass?

Als Werkzeug betrachtet funktionieren Onlinemedien perfekt: Sie sind schnell, guenstig, fuer User und fuer Publisher gut anpassbar, sie sind mobil und sie eignen sich perfekt fuer die weitere Verarbeitung. Zusaetzliche Inhalte koennen verlinkt werden, praktisch alle Inhalte sind ueber Suchfunktionen verfuegbar, Inhalte koennen ausgeschnitten, kopiert, leicht und schnell veraendert werden.
Aber was bringt mir das, wenn ich einfach nur lesen moechte?

Onlinemedien werden oft mit Moeglichkeiten oder Verhaltensweise beschrieben, die wir eher mit Arbeit als mit Unterhaltung verbinden. Wir koennen produktiv sein, wir haben viele Moeglichkeiten, wir kommen schneller weiter. Das sind Kriterien, die in unserer Freizeitgestaltung weniger eine Rolle spielen; geschaeftlich sind sie eher relevant.
Und eines haben wir gruendlich gelernt: Wir arbeiten, um bezahlt zu werden, wir zahlen nicht dafuer, zu arbeiten.
Klassische Mediennutzung (ein Buch lesen, ein Magazin durchblaettern, fernsehen) steht oft im Verdacht mangelnder Produktivitaet (Hast du nichts anderes zu tun?) – das ist also eindeutig Freizeit oder Unterhaltung.

Es gibt anscheinend tatsaechlich noch kaum erprobte Mittel, User online tiefer in Inhalte zu ziehen. Praktisch alle Medien beklagen das Click&Flee-Verhalten der User: Sie grasen die Startseite ab (oder Treffer aus einer Suchergebnisliste), sind aber allen Landingpage-Bemuehungen zum trotz kaum dazu zu bewegen, sich mit weiteren Inhalten zu beschaeftigen.

Damit wir uns nicht missverstehen: Ich spreche hier nicht von effizienteren Marketingmethoden oder Stickyness-Strategien, und auch nicht vom unter Online-Werbetreibenden Pissingmatch mit Usern (wie weit kann man den User mit zusaetzlich notwendig gemachten Clicks veraergern, so dass er npoch etwas fuer die Werbung bringt, aber nicht ganz verloren ist?), mir geht es um Handwerk.

Hier sind noch einige Innovationen ausstaendig:

  • Was ist das Online-Equivalent zu einem Inhaltsverzeichnis, in dem von der Redaktion fuer jede Ausgabe flexibel priorisiert werden kann? Und das vom User in beliebiger Intensitaet genutzt werden kann? Und das sich auf eine lange Tradition von Standards berufen kann, die schlichtweg jeder versteht (und jeder erkennt)?
  • Wie uebersetzen wir das Zusammenspiel von Cover und Inhalt online? Den Leser in mehreren Schritten neugierig machen, ihn stueckchenweise tiefer in die Materie ziehen, ihn mit Ueberblicken fuettern und ihm immer mehrere Handlungsoptionen offenlassen – online bedeutet das, Beschwerden ueber unnoetige Clicks, Verwirrung des Users und schlechte Usability zu riskieren.
  • Zum Lesefluss gibt es unterschiedliche Theorien: Schmale Spalten, damit wir uns nicht verlieren, breite Spalten, damit wir weniger scrollen muessen. Blaettern oder Scrollen, Bilder oder keine Bilder, Zusatzinfos in Kaesten oder nicht, related Links oder alles auf einen Blick – die Moeglichkeiten sind zahllos und immer diskutierbar.
  • Und schliesslich: “Wow, eine Zehn-Seiten-Reportage mit doppelseitigem Aufmacher” – das ist durchaus ein vernuenftiger Satz. Aber “Cool – da ist so ein grosses Bild drin, dass ich beim Laden der Seite nichts anderes sehe und ich muss zehn Fensterhoehen scrollen, bis ich weiss, wie lang der Text ist” – das ist nicht wirklich vorstellbar.

Das ist gar kein Hardwarethema. Waere es das, da wuerden noch die unschlagbaren Vorteile der Wegwerfbarkeit, der relativen Schmutz-, Sand- und Wasserunempfindlichkeit dazukommen.

Die Vergleiche sind nicht immer angebracht, muss man fairerweise sagen, dennoch scheint mir der plausibelste Grund fuer die online oft empfundene Lieblosigkeit zu sein: Es fehlen doch noch die Kriterien (und auch die Erlebnisse) fuer Online-Grossartigkeit. Online ist praktisch, effizient und in seiner langfristigen Wirkung extrem horizonterweiternd – im Moment, ehrlich gesagt, aber oft eher einfach anstrengend (im eigentlichen Sinn).

Natuerlich ist es eines der herausragenden Merkmale von Onlinemedien, nicht passives Entertainment zu foerdern, sondern aktive Beteiligung. Aber das kann anstrengend sein, ist nicht jedermanns Sache, und wir reden auch selten in irgendeiner Form mitreissend darueber. Orientierung, Usability, Findability sind nach wie vor die grossen Themen bei Launches und Relaunches – man stelle sich mal vor, das waere der Auftrag des Herausgebers an den Art Director bei einem Magazin-Relaunch. Hier moechten wir dann doch schon bald ueber die Stufe der Benutzbarkeit hinaus sein.

Worauf will ich hinaus? Foerderungen, Calls for Papers und die Restaufmerksamkeit, die Innovation zu teil wird, richten sich oft auf technische Kriterien; es werden mobile oder multimediale Dienste gefordert und gefoerdert. Schoen.
Mir bleibt das Erlebnis etwas auf der Strecke. Und die Inhalte sowie so. – Und das liegt ja immer wieder daran, dass wir gerne mehr besprechen, als gemeinhin passieren kann…
In der Entwickluing handwerklicher Standards fuer Onlinemedien jenseits von Technik (oder auich in der Erforschung bestehender bzw. entstehender Kodifizierungen) sehe ich grosses – und eben auch kommerziell nutzbares – Potential.

Mitteleuropäische Arbeitstage: Bukarest


Was in Bukarest auffaellt: Der Audi Q5 verdraengt langsam den Porsche Cayenne aus dem Stadtbild. Und wenn es dunkel wird, ist es stellenweise finster – richtig finster. Die beeindruckenden Kabelinstallationen, die zu den unverkennbaren Bukarester Wahrzeichen gehoeren, scheinen gelegentlich Schwaechen zu haben. Die an sich schon spaerliche Strassenbeleuchtung verzichtet auch manchmal mitten in der Stadt darauf, ihren Dienst zu tun. Eine europaeische Hauptstadt strassenweise in voelliger Finsternis – das hat Seltenheitswert. Hausbesitzer wissen damit umzugehen und beleuchten ihre Vorgaerten mit eigenen Spots – was auch fertigen und gepflegten Haeusern einen gewissen Baustellencharme verleiht.






Bukarest wirkt wie eine orientalische Stadt, die im vorvorigen Jahrhundert auf Paris- oder London-Style umgebaut wurde. Dazu kommen ein paar kommunistische bis mediterrane Plattenbauten und der eine oder andere klassizistische oder ebenfalls kommunistische Protzpalast.
Zwischen all dem ist die Stadt bedrueckend schoen – und so verfallen, dass kaum zu glauben ist, dass Ceausescus Hinrichtung schon 20 Jahre her ist. Auch das Denkmal fuer die ueber 500 Toten des 21. Dezember 1989 ist ein windschiefes Eisenkreuz.
Ich hab ja eine Schwaeche dafuer; jedermanns Sache ist das vielleicht nicht.
Die Lipscani Zona, das Viertel um die ehemalige Leipziger Strasse direkt neben dem Finanz- und Kulturzentrum bietet ein paar Antiquitaetenlaeden, einen ueberteuerten Carhartt-Shop, Hippie-Laeden – und alte rumaenische Troedler. Designershops sind recht lieblos die Calea Victoriei entlang gefaedelt – so unauffaellig, dass man sie im Vorbeigehen praktisch uebersieht, vielleicht auch weil man auch als Fussgaenger auf den Gehsteigen immer wieder auf Schlagloecher achten muss…
Bukarest ist weniger eine Einkaufsstadt, aber – in Reichweite – ein Tor zu einer sich aendernden Welt: Nicht ganz unbekannt, aber schon deutlich anders.

Und dann sind da natuerlich noch die Hunde: Sie schlafen in Buswartehuetten, unter Autos, in Parks. Anscheinend werden sie gefuettert und versorgt, viele sind mit gelben Ohrmarken gekennzeichnet und immer wieder liegen Futterreste auf der Strasse. Und sie sind durchaus liebenswert.

Was blieb haengen:

  • Zona Lipscani: Eine der schoensten Kombinationen von Aufbau und Verfall in Europas Staedten.
  • Piata Romana: Ein ueberdimensionaler Cola-Becher mit Strohhalm leuchtet an der Fassade eines Hauses an der Suedwestseite. Das macht Freude. (War allerdings an diesem einen Abend auch ohne Strom…)
  • Kabelrollen und Schlagloecher: Die wahren Wahrzeichen dieser Stadt.
  • Unscheinbares Shopping: Designerlaeden sind da, aber ohne Raum zu greifen oder den Platz zu besetzen. Das liegt vielleicht auch daran, dass noch offen ist, welcher Platz besetzt werden soll, was das zukueftige Zentrum werden soll. Bukarest hat mehrere gleichwertige Zentren – und das ist einer der groessten Hoffnungswerte fuer die Stadtentwicklung…

Mitteleuropäische Arbeitstage: Belgrad

Am Flughafen herrscht Rauchverbot, der Taxifahrer schnallt sich an – beides war nicht immer so.
Der Taxifahrer spricht englisch – auch das ist neu. Er stellt die ueblichen Fragen (oft hier? Verheiratet? Viel unterweg?) und verlangt trotz vorangehender Verhandlungen den dreifachen Preis. Das ist nicht neu. Wir einigen uns auf das eineinhalbfache des empfohlenen Preises. Dafuer bekommt er kein Trinkgeld.
“Dies ist eine lächerliche Hauptstadt; sogar noch schlimmer, eine anrüchige Stadt, schmutzig und desorganisiert. Seine Lage aber ist umwerfend”, schrieb Le Corbusier 1910 ueber Belgrad.
Die alte Stadt karmpft mit dem Altern, in Novi Beograd am anderen Ufer der Save wirken Wohnblocks in Stil von Raketenabschussrampen, mit in die Fassaden gerissenen Loggiaschluchten und der allgegenwaertigen Klimaanlagen-Satellitenschuessel-Kombination wie Kriegsveteranen. Es handelt dich aber um Architektur. Kriegsschaeden sind nicht mehr sichtbar.



Kalemegdan, die Hauptattraktion, ist ein Park mit Ruinen und weiter Aussicht.
Von dort fuehrt die Knez Mihajlova, die einzige Fussgaengerzone, durch die Stadt. Die meisten Geschaefte haben bis 21 Uhr geoeffnet. Und auch nach Ladenschluss, waehrend rundherum ein bisschen Nachtleben entsteht, sind die Geschaefte nicht leer. Es wird aufgeraeumt, inventiert, renoviert, umgebaut – selbst ist derGeschaeftsmann.
Bei einem Durschnittseinkommen von 300 Euro zaehlt Selbermachen zu den effizientesten Investitionen. Ueberziehungszinsen fuer das Bankkonto liegen inflationbedingt fuer in Dinaren gefuehrte Konten bei bis zu 45%. Krise hatten wir immer schon, nehmen es die Serben gelassen.
Die Zahl der Menschen in Kaefigen ist auffaellig hoch: Sie sitzen oder stehen in winzigen Staenden, verkaufen Nuesse, Kaugummis, Bier. Manche stehen nur in Ecken und verkaufen Blumen oder Sonnenbrillen.
Außerhalb der Fussgaengerzone und der wenigen touristisch aufgeschlossenen Strassen ist schwer zu erkennen, wie die aktuelle Umgebung einzuschaetzen ist. Oeffnet der Boardshop die Rollbalken am naechsten Morgen wieder? Sitzen die Kids abends im Park, weil sie kein Geld haben, oder weil sie bei ihrer Beschaeftigung keine Zeugen brauchen koennen?

Trotzdem – auch von nur einem Abend – ein paar sehr subjektive brauchbare Erinnerungen:

  • Supermarket: Concept Store nach Berliner oder Amsterdamer Vorbild; Bar, Restaurant, Shop, Ausstellungsflaeche und Spa in einem.
  • Ramax – made in Serbia: Minishop des serbischen Modelabels Ramax in der Milleniumcity, einer kleinen Passage an der Knez Mihajlova.
  • Die Bruecken und Ufer von Donau und Save zu jeder Tages- und Nachtzeit: Nicht jedermanns Sache, aber trotzdem den extra Fussweg wert.
  • Und schließlich: immer wieder Gelegenheiten in den Buchantiquariaten der Stadt – auch in mehreren Sprachen.

Print unter Druck – Schuld sind die Werbeagenturen… :)


Print unter Druck ist das aktuelle Schwerpunktthema von De:Bug. Mehrere Beitraege gehen den Fragen nach, ob es mittlerweile praktikable Erfolgsmodelle fuer Printmedien online gibt, wie vielversprechend neue E-Book-Reader sind und wo das eigentliche Problem der Printbranche liegt: Denn der Papierbedarf sinkt keinesfalls: Einer in De:Bug zitierten Studie des Druckerherstellers Brother zufolge steigt der Pro-Kopf-Bedarf an Papier weiterhin – vor allem im Zusammenhang mit papierlosen Workflows. Die Zahlen sind eindrucksvoll: Zuletzt stieg der jaehrliche Papierverbrauch pro Person von 214,6 auf 256,4 Kilo. Das ist mehr als ein Kilo pro Arbeitstag.

Es gibt also durchaus noch die hartnaeckige Gewohnheit, lieber auf Papier zu lesen – solange der Unterschied zwischen Hochformat-Papier und Querformat-Bildschirmen bestehen bleibt, wird es auch immer noch nachvollziehbare Vorteile haben, auf Papier zu lesen.

Warum klagen Zeitungen und Magazine trotzdem ueber abnehmendes Geschaeft?
Worueber klagen sie genau? – Im Vordergrund stehen meist nicht Leserzahlen, sondern Werbeeinnahmen.
Wenn ich mein eigenes Lese- und Kaufverhalten betrachte, kaufe ich jetzt wieder mehr Magazine als vorher. Ich lasse mich online auf Themen aufmerksam machen, und wenn ich die Vermutung habe, ein Heft enthaelt einige interessante Themen, dann kaufe ich es. Ich kaufe sogar teure Einzelausgaben, auch dann, wenn ich alles auch online lesen koennte.
Warum? Onlinemagazine sind nach wie vor oft lieblos gemacht, Printausgaben haben den Vorteil, das Gesamtkonzept von Blattlinie, konkretem Inhalt und Layout besser zu transportieren. Die Kodifizierung des Ungesagten funktioniert auf Papier nach wie vor besser als online: Was ist das Online-Aequivalent von Hochglanz, Yellowpress oder Qualitaetszeitung? – Die optischen Standards werden noch zu oft gemischt und gewechselt, um als etablliert und aussagekraeftig gelten zu koennen. Und ja, ich schaue auich auf die Werbung und darauf, wie die Inserate gestaltet sind. Auch das gehoert – fallweise – zum Gesamtkonzept eines Magazins.
Was heisst das fuer Verlage? – Es gibt vielleicht weniger treue Leser, aber mehr potentielle, die weniger mit Abogeschenken, aber dafuer mit Inhalten abgeholt werden koennen.

Wer malt dann trotzdem den Onlineteufel an die Wand? Mein Verdacht: Fuer Werbeagenturen ist es weit lukrativer, integrierte Gesamtauftritte mit Animationen, Designvarianten und Filmchen fuer Online zu verkaufen, und es macht auch mehr Spass, sich am naechsten Viral-Guerilla-Videospot zu versuchen, als Printanzeigen und Advertorials zu variieren.
Qualitativ ist das kein Quantensprung seit der Einfuehrung des Fernsehens, nur durfte an die teuere Fernsehwerbung nicht jeder ran. Jetzt sind auch Dilettanten an den Futtertoepfen angelangt und verwandeln auch einst lesbare Webseiten in Homeshoppingh-Channels.
Komplettpakete koennen aggressiver verkauft werden – kleine Erfolge auf diesem Gebiet stehen auch weit mehr in der Auslage als grosse Erfolge auf den klassischen Gebieten.

Fazit: Ich glaube nicht, dass inhaltlich gesehen Magazine bedroht sind.
Was sich bereits geaendert hat, ist der Weg zum Leser: Statt Titeln werden Stories gekauft, statt Abos Ausgaben. Was sich aendern wird, sind Produktionund Distribution: Das flaechendeckende Streuen ueber grosse Netze ist vielleicht wirklich kaum noch leistbar. Neue Formen von On Demand, auch wenn noch immer problematisch, und Micropublishing sind fuer mich hier die vielversprechenden Formen.

Noch eine Veraenderung meines Leseverhaltens habe ich festgestellt: Ich lese untewegs kein Papier, verschwende meine Zeit nicht mit U-Bahn-Gratiszeitungen, sondern lese unterwegs (auch im Flugzeug) ausschliesslich am Laptop oder am Smartphone. Unterwegs ist Papier unpraktisch. Ein Abend ohne Bildschirme, dafuer mit schoen gestaltetem Papier, ist dagegen nostalgisch-romantisch…

PS: Hier kann die aktuelle De:Bug-Printausgabe bestellt werden… 🙂

Not a gadget – aber was dann?

“You are not a gagdet” ist nicht nur der Titel von Jaron Laniers aktuellem (ersten) Buch, es bringt auch dessen Essenz gut auf den Punkt: Lanier gibt sich nicht mit Kulturkritik zufrieden, ihm geht es um das ganze. Er stellt gleich die Frage: Was ist eine Person? Wie wird das, was eine Person ausmacht, durch aktuelle Entwicklungen in Onlinemedien beeinflusst?
Jaron Lanier ist nicht irgendein Kulturnostalgiker: Der Super-Geek, Erfinder des Begriffs “Virtual Reality” und Web-Visionaer steht ueber dem Verdacht, nichts von Onlinemedien zu verstehen und Althergebrachtem nachzutrauern.
Dennoch plagt ihn angesichts von Social Networks, Web 2.0 und Wikipedia ein deutliches Unbehagen, das auf den ersten Blick an papierene Schirrmachers oder Thurnhers erinnert: Der Verlust der individuellen Autorenstimme, die Zerstoerung der oekonomischen Grundlagen von Kultur und der Mangel an Innovation sind die wesentlichen Punkte, die Lanier der neuen Netzkultur ankreidet.

Technik wird von Menschen benutzt, insofern habe ich immer wieder Probleme mit Darstellungen, die direkte Technikfolgen beschreiben. Ich gehe eher davon aus, dass neue Technologien und Medien- gerade online – wenig neues bringen, aber vieles, das schon da ist, sichtbarer machen. Neues entsteht eher in den Beziehungen, und in so manchen Ueberraschungseffekten, die die neue Sichtbarkeit mit sich bringt. – Und das ist oft weder innovativ, noch nett…

Sind wir auf multiple choice reduziert?

 

Lanier argumentiert, dass die bereitwillige Einordnung in Netzwerke, die Reduktion der Person auf Checkboxen (Name, Interessen, Beziehungsstand,…), tatsaechlich die Person reduziert: Wir benehmen uns so, als waeren wir nicht mehr, tauchen nur in einzelnen Blitzlichtern auf und haben schon lang darauf verzichtet, selbst etwas zu machen. So haesslich die Webseiten der Neunziger waren, so individuell und autorengetrieben waren sie – technisch und inhaltlich.
Die Reduktion und einebnende Gleichmacherei (Lanier verwendet auch gezielt den Begriff Maoismus) fuehrt zu Uberschaetzung der Crowd und zum Ausschluss von Innovation. So gut ud praktisch die Crowd bei Alltagsaufgaben sein mag, sie ist nicht innovativ. Nichteinmal innovative Crowdbewegungen wie Open Source, Free Software oder Wikipedia haetten etwas neues hervorgebracht, sondern nur eigene Varianten des Bestehenden. Stallmans Idee, einen eigenen, freien Unix-Klon zu schreiben, ist fuer Lanier aehnlich konservativ wie Hinterglasmalerei (nach Vorlagen) – das haben wir doch schon, wozu es nochmal machen? Wenig entgegenzusetzen ist auch der Frage, warum fuer jedermann interessante Innovationen wie das iPhone nicht aus der Open Source-Ecke kommen, sondern von den sektiererischen Egomanen von Apple.
Mit dem Aufstieg von Wikipedia ortet Lanier schliesslich sogar einen Knick in der Produktivitaet des Internet: Viele interessante Webseiten zu speziellen Randthemen seien zur Zeit des Aufkommens von Wikipedia zuletzt upgedatet worden – ein Zeichen dafuer, dass das oberflaechliche Instantwissen die produktive Auseinandersetzung mit Themen verdraenge.
Die Vernachlaessigung und schliesslich Missachtung von Kreativitaet und Innovation fuehre dann auch dazu, dass mit beiden Punkten auf kuenstlerischem Gebiet kein Geld mehr zu machen sei.
Erst gegen Ende versucht Lanier ein paar versoehnliche Seiten zu schreiben und entwickelt eine sehr geekige Perspektive zur “Future of Humour”.

Vergleichen verkleinert – uns und unseren Horizont

 

Was machen wir daraus? Die Tendenz unserer aktuellen Onlinemedien, Randthemen zu ignorieren (“Auf dem Weg zum Einheitsblog”), Suchmachschinenoptimierung als Ausloeser einer Killerspirale fuer unpopulaere Themen (“An den Grenzen des Internet”), merkwuerdige Veraenderungen in der Wahrnehmung von Werten und deren Relevanz (“Leben mit Wertenomaden”, “Superinfluencer: Die neuen Experten fuer eh alles und ohne jede Ahnung”), Kritik an Wikinomics (“Don Tapscott ist nicht mehr mein Freund”) und die Frage, ob wirklich schon gegessen ist, dass das Web ein Marketinginstrument ist (“Respekt und die Onlinemarketingpest”) beschaeftigen mich ja nun schon laenger.
Laniers Analyse verdeutlicht einen wichtigen Punkt: Vergleichen verkleinert. Je mehr Beziehungen wir herstellen (und das ist eine der Hauptaufgabe der sozialen Medien), desto mehr werten wir, ob wir wollen oder nicht: Wir sehen anderen beim Leben zu und fuehlen und dann besser oder schlechter. Das ist qualitativ nicht neu, quantitativ aber erreichen wir eine neue Dimension.
Wir vergleichen uns mit Mittelmass, und geben uns dann mit Mittelmass zufrieden. Oder damit, besser als Mittelmass zu sein – was ja auch noch nicht viel ist.
In Facebook lebt uns jeder sein Leben vor – In “Gala”, “Bunte” oder “Interview” gibt es wenigstens irgendeine Einstiegshuerde, um zur Projektionsflaeche fuer das Publikum zu werden.
Die Qualitaet des Vergleichs allein ist aber noch nicht das Ausschlaggebende: Problematisch ist der Vergleich selbst. Denn nicht nur Vergleichen reduziert zum Mittelmass, konsequent zu Ende gedacht kommen wir auch an den Punkt, an dem auch Wettkampf nur Mittelmass produziert. Besser sein reicht nicht, um innovativ zu sein, noch nie Dagewesenes erreicht man nicht damit, besser als andere zu sein.
Das sind wir aber gewohnt. Und wir haben zuletzt oft gehoert, dass die Cloud oder Crowd inspirierend, korrigierend, smarter ist als wird, und dass wir ihr geben sollen, was sie verlangt.
Das gilt vielleicht fuers Marketing.
Fuer produktive Prozesse halte ich’s eher mit Lanier und schaetze auch wieder ein bisschen Ignoranz (es zaehlt nicht immer nur, was zurueckkommt) und Nabelschau im eigenen Sud. Auch wenn die korrektive Ohrfeige des Kollektivs dann manchmal um so schallender ist – aber das kann ja auch heilsam sein.
Oder, um es direkt mit Lanier zu sagen: Nicht jeder Blogpost muss veroeffentlicht werden – bis er wirklich raus muss. Und es ist kein Fehler, fuer die Produktion eines Videos hundert mal so viel Zeit zu brauchen wie dafuer, es sich anzusehen.