Superior Storytelling

Nichtlineare Medien haben ja oft die Tendenz, uns zu überfordern. Dazu brauchts gar keine multimedial-interaktiven neuen Räume, es reichen schon simple Techniken wie Überlagerungen oder Rückblenden, um erst oft mal ein technisches Problem zu vermuten: Warum hören wir den Menschen in diesem Film nicht mehr reden? Achso, weil der andere abgelenkt ist und nicht mehr hinhört.

Fallen gibt es viele…
Um so schöner finde ich dieses Beispiel aus der ersten Ausgabe von Superior Spiderman: Ich muss dazu vorausschicken, dass die Geschichte etwas kompliziert ist. Peter Parker ist schon noch Spiderman, aber nicht mehr wirklich (eben Superior Spiderman) und er ist vor allem nicht mehr Peter Parker – was dazu führt, dass er bösartiger, unberechenbarer, und vor allem wieder scharf auf Mary Jane ist. (Ein bewundernswerter Plot-Twist, der Autor Dan Slott prompt Morddrohungen einbrachte.)
In dieser Szene sitzt Peter mit MJ beim Dinner und ist offensichtlich abgelenkt. Ich muss gestehen – nachdem ich die Ausgabe digital gelesen habe, habe ich hinter den Überlagerungen erst interaktive Effekte, oder vielleicht einen Fehler in der App vermutet.. 😉 – dabei ist es nur ein wirklich schönes Beispiel für simpelste Techniken mir grossem Erzähleffekt…

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Informavores Trailer II – Post-Apokalypse-Edit

Zwei Tage danach und die Welt steht noch immer. “Das Verlässlichste sind Naturschönheiten…” – Deshalb feiern auch wir nochmal kurz Postapokalypse (was ja grundsätzlich fast jeden Tag stattfinden kann) und dann ist Weihnachten. Informavores II – zur Feier unserer Pre-Christmas-Sneak-Release.

Informavores II – Post-Apokalypse-Edit from Michael Hafner on Vimeo.


“Das Problem daran, in die Zukunft zu sehen, ist dass die Zukunft sich manchmal danach richtet.” – Ein Problem, das nur abhängig vom aktuellen Blickwinkel eines ist. Und der Blickwinkel richtet sich in der Regel nach der jüngeren Vergangenheit… Kommt also ganz darauf an, wie die Welt aussieht oder wonach man sich richtet.
Aber erklärt das mal einer Horde misstrauischer Nerds. – “Das Verläßlichste sind Naturschönheiten. Dann Bücher; dann Braten mit Sauerkraut”, haben schon andere Weise gesagt. Nur ist nicht immer die Zeit danach…

Und jetzt geht’s wieder an die Arbeit.

Download Sneak Release: Informavores Prerelase Pt 1

Informavores – Pre-xMas Sneak Release

Lang angekündigt, und jetzt mal nur ein kleiner Schritt: die Pre-Christmas-Micro-Sneak-Release. “Informavores” ist mitten im Werden und wird noch eine Zeitlang brauchen.
Worum gehts?
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Um Gier, Macht und die planlose Suche nach irgendetwas anderem, verstrickt in die Geschichte einer mächtigen Bank, skandalträchtiger Finanzpolitiker, eines sich auflösenden, früher mal schlagkräftigen Netzwerks misstrauischer Nerds und einiger ahnungsloser Reisender.
Hier gibts eine Kostprobe mittendrin; more to come…

Download Sneakrelease: Informavores Prerelase Pt 1

Und hier gibts noch den ersten Trailer.

“Press Pause Play”: Digitale Revolution? – “In ein paar Jahren werden wir uns ein bisschen genieren…”

Nicht alles, was eine Seite füllt, ist eine Story. Nicht alles, was wie ein Magazin aussieht, ist lesenswert. Und nicht alles, was Millionen Menschen erreichen kann, ist es auch wert, sich eine Minute damit zu beschäftigen.
Am Wochenende habe ich die eineinhalb Stunden investiert und “Press Pause Play” angesehen. Die Dokumentation geht der Frage nach, wie weit die digitale Allgegenwart von Produktionsmitteln Kunst positiv oder negativ beeinflusst, oder ob es hier überhaupt irgendeine Art von Auswirkungen gibt.

Digitalenthusiasten und Skeptiker argumentieren in “Press Pause Play” gleichermassen überzeugend. Der Film schafft es, erstaunlich viele intellektuelle Schwergewichte – unter anderem Seth Godin, Moby, Andrew Keene – vor die Kamera zu bringen. Eine reflektierte Analyse zu den Quantität-Euphorie-Brainwashern im “Did you know…” und Socialnomics-Stil. Eine Konsequenz oder Quintessenz im engeren Sinn gibt es nicht. Viele Sichtweisen sind möglich, viele sind argumentierbar; auf beiden Seiten gibt es gute und schlechte Argumente.

  • Demokratisierung auf allen Ebenen ist wichtig, sagen die einen. Kunst ist “per definition an elitist business”, sagt Andrew Keene.
  • Wir haben unendliche viele Möglichkeiten, neues zu entdecken, sagen die einen. Qualität wird nicht häufiger, sagen sie anderen, nur der Schrott, der sie übertönt. “It’s gonna be a bit embarrasing, we are gonna be a bit ashamed of ourselves”, meint Musik-Journalist Christopher Weingarten auf die Frage, wie wir die aktuellen Entwicklungen wohl in 20 oder 30 Jahren beurteilen werden. – Vielleicht hätte nicht jede Idee sofort umgesetzt, nicht jedes Ergebnis sofort geteilt und verbreitet werden müssen.
  • Moby (der im ganzen Film sehr viel Hörens- und Bedenkenswertes sagt) glaubt auch nicht an die ganz große Revolution – oder zumindest nicht daran, dass sie heute, morgen, oder an irgendeinem definierbaren Termin stattfindet. “It’s gonna be like mobile phones from 25 years ago- they are big, they are clumsy, and they only worked in one place of the world…” – Die digitale Revolution wird in wenigen Jahren ein nostalgisch belächelter Sturm im Wasserglas? Warum nicht – wir glauben ja auch jetzt immer wieder, so viel schlauer zu sein als alles bisher Dagewesene.
  • Neben der Wertefrage, die eloquent besprochen, aber natürlich so wie nie gelöst wird (Was ist Kunst? – Das mit dem runden Zimmer und der Ecke ist noch immer eine eingängige Antwort), ist die Frage nach Ausbildung und Training für kreative Prozesse eine weit ergiebigere. “There is no training for what’s going on in the professional world right now”, sagt Tracy Chandler von der Motion Graphics-Agentur Shilo. “We can teach students some tools, but not miuch about the values you need to have”.
  • Norman Hollyn von der University of Southern California Film School sieht das noch offener. Ausbildungsziel könne es heute nur sein, Studenten und Young Professionals daran zu gewöhnen, dass sich einfach immer alles ändern wird. Tools, Techniken, Erzählweisen, – alles kann hinfällig sein. Wichtig sei schlicht das Gespür dabei, wie sich Bilder und Geschichten entwickeln…

Profis und Lehrenden fällt es immer schwerer zu beschreiben, was sie eigentlich machen und wie sie es machen. – Die Rückkehr des romantischen Kreativen, der als natural born Genie einfach macht? Europa, hat man ja manchmal den Eindruck, hat dieses Stadium noch nie verlassen. – Ich schlage mich eher auf die Seite jener, die, was die Qualitätsfrage betrifft, dem digitalen Boom skeptisch gegenüberstehen. Aber ich halte es trotzdem für begrüssenswert, Produktionsmittel zu verbilligen vervielfachen, und jedermann zur Verfügung zu stellen. Kreativität lebt schliesslich nicht nur vom Handwerk, sondern auch von der Idee. Und die lebt wieder von ihrer Umsetzung. Den Anspruch, heute Kunst zu machen, sehe ich weniger in handwerklicher Perfektion erfüllt, sondern in einer Idee, die vielfältig umgesetzt ist. Je mehr Kanäle zur Umsetzung einer Idee zur Verfügung stehen, desto höher sind die Chancen auf eine passende Umsetzung.

Vielleicht kann man sagen: Es ist notwendig, zwischen Substanz und Potential zu entscheiden. Franz Schuh lamentiert im aktuellen Datum (Mai 2012) über Medien und das Internet als Verdummungsmaschinerie: ergoogletes Halbwissen und die für Suchmaschinen fatale Ähnlichkeit von Plato und Plateauschuhen sind seine Anklagepunkte. Das kommt vor. Genauso wie in gedruckten Best-of-Sammelbänden versammeltes Halbwissen, von schlecht ausgebildeten Lehrern falsch wiedergegebene Irrtümer der Geistesgeschichte und die generell mangelnde Bereitschaft, Dingen auf den Grund zu gehen.

Medien an sich verändern radikal; die Art von Medien eher nur marginal: Es ist auch ein Unterschied, ob Musik auf Vinyl oder auf dem iPhone gespeichert ist, aber es ist ein weit größerer Unterschied, ob sie gespeichert ist oder live gespielt wird (auch ein Punkt, den viele Protagonisten in Press Pause Play machen). – Die Verbindung zum Publikum herzustellen, die Langeweile von Perfektion zu durchbrechen, Dinge so zu machen, wie sie sinnvoll sind, aber anders, als es sich gehört – das sind für mich Momente, in denen sich relativ diskussionslos akzeptieren lässt, dass Kunst auch etwas mit Können zu tun hat.

Andererseits: Es muss nicht immer Kunst sein. Wenn Kunst Alltag wird, was spricht dagegen, den Alltag zur Kunst zu machen? Das ist keine digitale Neuigkeit, und es ist nicht als Verlängerung der gern praktizierten Verklärungs- und Rechtfertigungsstrategien von Banalitäten gemeint.
Kunst als handwerkliche und ideengetriebene Perfektion im Alltag bedeutet, in allem, was wir tun, auch das Hirn einschalten, den Dingen auf den Grund gehen, nicht nur reproduzieren, Klischees erfüllen, Erwartbares abarbeiten. Warum tun wir das oder haben wir das Gefühl, das manchmal zu tun?
Manchmal wirkt es geradezu lächerlich, sich selbst so ernst zu nehmen, dass jeder Handgriff gut, jeder Satz eine Performance sein muss. Aber: Bei anderen, vielleicht nicht bei uns selbst, schätzen wir das – wer mir etwas erklären/verkaufen/präsentieren möchte, und dabei nicht erkennbar und souverän das Beste aus der Lade holt, verschwendet meine Zeit und macht es sich selbst doppelt so schwer.
Dabei bin ich selbst nicht wirklich ein Freund der allgegenwärtigen Performance. Wozu Show, wenn es nichts zu sagen gibt? Andererseits: Wozu etwas sagen, wenn keine zuhört (und es keine Ausreden und Hindernisse auf dem Weg zum Publikum gibt)? – Darin sehe ich eine der größten Auswirkungen digitaler Medien im kreativen, kommunikativen und sozialen Bereich: Inhalt und Verpackung, Form und Funktion, Technik und Content sind eines und müssen gemeinsam behandelt werden. Wer nur eines drauf hat, hat zu wenig. Aber auch wer beide Seiten perfektioniert, steht noch immer mit leeren Händen da: Denn beides sind nur gut etablierte Werkzeuge, die bereitstehen, um sie einzusetzen.
Nichts ist langweiliger, als digitale technische Perfektion, sagt Moby in Press Pause Play. Eines vielleicht schon: eine ewig nicht umgesetzte Idee, deren vermeintlicher Erfinder sie vor allem deshalb für einzigartig hält, weil der unfähig ist, sie umzusetzen. – Passiert im im engeren Sinn kreativen Umfeld vielleicht weniger, in der Corporate-Umgebung permanent dilettierender Generalisten dagegen ist es praktisch die Regel.
Was verändern digitale Produktionsmittel hier? – Sie ermöglichen es, leichter etwas zu schaffen, das so aussieht, als wäre es das Werk, die Idee, oder deren Umsetzung, von der die Rede ist.

Was bedeutet es dann, auch in finanziell dominierten Jobs Hirn und Herz einzuschalten? Vor allem einen Schritt aus der geflügelten selbstverschuldeten Unmündigkeit. Auch wenns manchmal quält – die Mittel dazu hätten wir, wir müssen sie nur wirklich einsetzen. Man kann nicht ewig Müll fressen. Das ist schlecht für die Figur. Und fürs Karma. Blöderweise kommt man zu oft auch ohne das aus…

Datenjournalismus, Medientoolbox und das total ultimative Portal?

Die Webseite der Zukunft als Tools, das nicht Content anzeigt, sondern Funktionen enthält, die vielleicht unter anderem Content liefern? Webseiten als Digital Brains, die unsere erweiterten Erkenntnistools sind? Der User muss einbezogen werden. Datenmengen brauchen ein Businessmodell. Webseiten müssen auf Kontext, Präferenzen und Devices reagieren.
Smartness gipfelt in Personalisierung, Sensitivität für Kontext (in Sinn und Raum) und Präferenzen – ist das das neue Nachrichtenportal. das dem User immer das zeigt, was er sehen will? Im Rahmen des twentytwenty-Events zum Datenjournalismus stellte Lorenz Matzat unter anderem sein Sicht auf Medien und Webseiten der nahen Zukunft vor: Webseiten sind keine fertigen Produkte mehr, sondern Hubs, die auf eine Vielzahl von Faktoren reagieren und mehr Werkzeug- als Mediencharakter haben.



Versuche, Onlinemedien, vor allem als Nachrichtenportale, aus ihrer Klemme zwischen digitalisiertem Papier und gif-Animation (d.h. sie funktionieren gleich wie Papier-Ausgaben, nur blinkt irgendwo etwas) zu erlösen, gab es viele:

  • Der norwegische Contentmanagement-Anbieter Escenic setzte eine Zeit lang darauf, Statistiken aus der Webseite direkt im Redaktionstool anzuzeigen. Chefredakteure mochten das: Redakteure, so die Erwartung, sollten damit direkt auf diie Vorlieben der User reagieren, beliebte Contents pushen und hätscheln, unbeliebten Contents eine zweite Chance geben und sie dann schnell entsorgen. Das Problem: Konkrete Contentnutzung ist im allgemeinen so minimal, das in kurzen Zeiträumen Unterschiede mit freiem Auge kaum zu erkennen sind. User sind auf der Startseite, sie reagieren auf recht gut vorhersehbare Themen , – ja und dann gibt es noch Suchmaschinenoptimierung. An der grundlegenden Funktion ändert sich wenig.
  • Heatmaps, zentral im Newsroom positioniert, waren eine Zeitlang auch der Brüller als Steuerungsinstrument für die Chefredaktion. Dabei zeigt ein Layer über der Startseite oder anderen wichtigen Seiten, wo gerade besonders viel oder besonders wenig geklickt wird. Allerdings lieferte auch das in der Regel wenig Erkenntnisse – ausser dass Nachrichtenseiten eigentlich getrost auf Navigation verzichten könnten: User klicken auf Titel und Bilder; Navigationen sind in der Nutzung praktisch immer ein Stiefkind. Was macht ein Chefredakteur mit dieser Erkenntnis? – Neue Onlinekonzepte kenne ich kaum; Votings zur Miss Wetter, Miss Urlaub oder zum süssesten Hund sind wahrscheinlicher.
  • Leserreporter sind fast schon wieder von der Bildfläche verschwunden. Vor sechs oder sieben Jahren noch tingelten Softwärehäuser mit ausgeklügelten Leserreporter-CRM-Systemen durch Verlage: Diese dienten gleichzeitig zur Erfassung von Contents durch Leser, zur Bewertung durch die Redaktion und Übertragung in Webseite oder Redaktionssystem, zur Bewertung der Leser durch die Redaktion (“Informant”, “Querulant”,…) und zur Protokollierung der evtl. auch telefonischen Leserkontakte. Beeindruckend. Ich kenne nur einen Verlag, der si ein System gekauft hat. Und heute nicht mehr verwendet.
  • Die mit Usern gemeinsam erarbeitete Themenplanung dürfte auch eher eine PR-Story gewesen sein: Gut für eine Ankündigung und ein bisschen Zitaterummel, aber wenig nachhaltig-praktisches.
  • Für den write-while-they-search-Journalismus, der seine Themenplanung auf die aktuell häufigsten Suchbegriffe bei Google ausrichtet, wurde zwar manche Medien schon als innovativ ausgezeichnet – aber garantiert das Konzept nicht immer, hinten nach zu sein? User suchen nach etwas, von dem sie in irgendeiner Form gehört haben, und das haben sie sicher nicht in Medien dieser Art zuerst gehört. Ich glaube auch nicht, dass sich der Rückstand (erst dann mit der Recherche anzufangen, wenn andere schon erste Stories draussen haben) in einen Vorsprung verwandeln lässt…
  • Und ich bin selbst unlängst wieder mal der Versuchung erlegen, ein Konzept für eine megakonfigurierbare Webseite zu machen, die statt Navigationselementen nur Regler benutzt: User entscheiden sich nicht für Themen, sonder sie stellen verschiedene Filter ein, wählen deren Priorität und Reihenfolge, und bekommen demnach Content angezeigt. Denkbare Filter sind etwa aktuellste, meistgelesene, bestbewertete, meistkommentierte, von Freunden empfohlene, von der Redaktion priorisierte oder von aussen meistverlinkte Artikel, eventuell noch einmal quergeschnitten mit einer inhaltlichen Auswahl oder einem Suchbegriff.
  • Aktuell gilt jetzt oft Datenjournalismus als der neue visualisierende Weg zur Wahrheit: Lorenz Matzat stellte beim jüngsten Twentytwenty-Event eine Sicht von Onlinemedien vor, die nicht mehr die Präsentations- und Packaging-Funktion in den Vordergrund stellt. Diese erweiterte Sicht hilft, Datenjournalismus nicht nur auf interaktive Grafiken zu reduzieren. Letztlich sind alles Daten – wir haben jetzt nur mehr davon und können sie leichter transportieren.

Warum war dann bis jetzt kaum eines dieser schon lange gewälzten Konzepte nachhaltig kommerziell erfolgreich? Ich sehe mehrere Gründe:

  • Werbung: Je mehr Kontrolle der Werbeflächenanbieter über die Flächen hat, desto leichter kann er sie verkaufen. Je mehr Kontrolle der User über angezeigte Inhalte und Formate hat, desto schwieriger wird es, das verbleibende Umfeld zu verkaufen: Es wird vielfältiger und komplexer (und ausserdem wird in personalisierten Umgebungen Werbung als zunehmend störender empfunden). Und an dynamischer kontextsensitive Werbung verdient in erster Linie der Werbevermittler, weniger der Werbeträger.
  • Kontrolle: Medienherausgeber wollen wissen, was in ihren Medien steht. Wenn User aus aufbereiteten Daten ihre eigene Sicht auf Information aufbereiten können, geht diese Kontrolle verloren. Listen, Grafiken und Rankings – vereinfacht gesagt die Werkzeuge des Datenjournalismus – sind klassischerweise die zentralen Elemente des kommerziellen Boulevardjournalismus. Aber dort werden sie stets auch genutzt, um eigene Positionen zu untermauern, Behauptungen zu unterstützen, und eine Linie der Redaktion oder des Herausgebers zu untermauern. Mehr Spielraum für den User gefährdet diese Macht.
  • Einfachheit: Es ist nach wie vor eine der Hauptaufgaben von Medien, Klischees zu bestätigen. User wollen Stories lesen, die ihre Welt erklären – und das heisst, gemessen an den traditionellen Kommunikationsmustern, die ihre Sicht der Welt bestätigen. Vorgefertigte Listen und Rankings erfüllen diesen Zweck sehr gut. Daten, die der User selbst Filtern und sortieren kann, beantworten vor allem dann keine Fragen, wenn der User gar nicht weiss, welche Fragen er hat. Damit verlieren offene Medien oft schnell der Reiz für den User.

Fazit: Datenjournalismus ist präsenter, als es die Trendyness des Themas vermuten lässt. Auch große Teile des traditionellen Aufdeckerjournalismus sind schliesslich nichts als aktengestützter Datenjournalismus, teilweise mit prähistorischen Methoden (siehe auch das Interview mit Kurt Kuch). Die Anforderungen an Journalistenausbildung und -alltag sind andere – was aber in Österreich mangels relevanter Ausbildung und angesichts chronischer All-in-One-Jobs ziemlich egal ist. Neue Geschäftsmodelle sehe ich weniger stark im Kommen: Listen und Rankings sind nichts Neues und waren eher immer schon ein Verkaufsargument als ein Hindernis. Qualität in Content und Aufbereitung dagegen war noch selten ein Verkaufsargument. Allerdings sehe ich im Datenjournalismus einen starken Treiber hin zu Onlinemedien, die mehr als Inhalte liefern, Zusatznutzen in den Vordergrund stellen, und den User herausfordern, aktiver zu sein. Das ist einerseits praktisch die Zukunft, andererseits setzt es Skills und Eigenschaften voraus, die manche User erst noch lernen müssen – und die manche User schlicht nicht haben…