Intelligenzdämmerung: “Nach Gott”, Peter Sloterdijk

Ok, Gott ist tot, hat jeder schon mal gehört. Und jetzt? So weit kommt Sloterdijk in seinem aktuellen Buch gar nicht; der Text endet nach einem Schnelldurchlauf über die letzten drei Jahrtausende bei Nietzsche und William James. Das ist zugleich das große Manko an „Nach Gott“: Es ist ein sehr vorbereitender Text, der selten zum Punkt kommt. Eigentlich ist es gar kein Text als editorische Einheit genommen: Der Band ist eine Sammlung verschiedener Essays und Vorträge, die um ähnliche Themen kreisen. – Das hätte man dazu sagen können, dann hätte man als Leser weniger Argumentation oder Konsistenz erwartet.

„Nach Gott“ fängt stark an; Sloterdijk beschwört diverse Dämmerungen herauf. Auf die Götterdämmerung (ok die kennt man) lässt er die Zivilisationsdämmerung folgen, die er mit Paul Valéry nach dem ersten Weltkrieg ansetzt. Der folgen die Seelendämmerung, die auf die Enttäuschungen der Psychologie, die jene der Religion noch übertreffen, zurückzuführen ist, und schließlich die Intelligenzdämmerung, die nicht vorrangig als Verdummungspessimismus zu lesen ist, sondern auch als Konsequenz der (zukünftigen) Auslagerung von Aktivitäten an künstliche Intelligenz, der Sorge vor und um Intelligenz und Bildung.
Dann folgt auf den nächsten 200 Seiten ein spekulativer Rundgang durch mehrere hundert Jahre Religions- und Geistesgeschichte, der nicht gerade sehr zielorientiert argumentiert und nicht wirklich darauf angelegt ist, sich verständlich zu machen. „Eine Textur aus tausend roten Fäden“, heißt es auch dem Umschlag, und ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, dass das positiv gemeint ist.
Sloterdijk packt Gnostiker, Mystiker und Kirchenväter aus, spannt einen sehr großen Bogen und kann sich aber nicht für einen zentralen roten Faden entscheiden. Damit bleiben Auswahl, Argumente und Beobachtungen recht willkürlich. Als Leser kann man sich unterhalten fühlen, aber es bleibt für lange Zeit beim unverbindlichen Plauderton, der sich nicht wirklich auf Diagnosen oder Behauptungen festlegen möchte.

Erst auf den letzten etwas mehr als 50 Seiten wird Sloterdijk dann etwas konkreter. Das Buch, das ja eigentlich keines ist, entpuppt sich als Endzeitbuch, in dem Moral zur größten Frage wird. Moral als Antwort auf die Frage, was man tun soll (eigentlich: warum man eher dieses und nicht jenes tun sollte), wird eine heute immer größere Problemstellung, die mit immer schwierigeren Voraussetzungen zu kämpfen hat. Große Richtlinien fehlen; woran orientiert man sich also?

Lösungen und konkrete Perspektiven bietet auch Sloterdijk nicht wirklich, dennoch finden sich vereinzelte Appelle im Text, die erkennen lassen, das Sloterdijk der Suche nach den Lösungen grundsätzlich hohen Stellenwert beimisst. Ein paar Ansätze dazu:
In einer Rede vor französischen Politikern fordert Sloterdijk neue Solidarsysteme. Er beklagt Privatheit und die Konzentration auf individuelle Immunität – einen Bonus, den es „nur im Rahmen einer wirkungsvollen Ko-Immunität“ geben kann. Immunität ist dabei nicht im rechtlichen Sinn zu verstehen (wie die Immunität von Abgeordneten), es ist mehr eine Art Immunität, wie sie durch Impfungen entsteht; sie funktioniert auch ähnlich: Jedem und jeder steht es frei, sich selbst zu immunisieren oder etwas zur Immunität beizutragen; wer das nicht kann oder will, wird immer noch – wie durch den Herdenschutz bei Impfungen – durch die Immunität der anderen geschützt. „Ko-Immunität ist darum das Schlüsselwort zum Verständnis aller politischen und sozialen Erfolgsgeschichten“, auch um den Preis, dass unter Umständen jeder und jede „auf einer niedrigen Ebene etwas opfern wmuss, wenn man auf einer höheren Ebene etwas gewinnen will.“
Diese Einsicht – das auch die bequemste und stärkste Immunität nicht ganz von selbst entsteht – sieht Sloterdijk aber als ins Wanken geraten, als im „Krieg der Interessengruppen“ unter die Räder gekommen. „Die katastrophale Drift der globalen Prozesse macht es heute notwendig, über die Schaffung einer umfassenden Solidaritätseinheit nachzudenken, die stark genug wäre, um dem wehrlosen Ganzen als Immunsystem zu dienen – jene ungeschützten Ganzen, das wir die Natur, die Erde, die Atmosphäre, die Biosphäre, die Anthroposphäre nennen.“
Hier taucht einer von Sloterdijks Gedanken und Formulierungen auf, die überraschenderweise noch immer nicht von Bio- und Öko-Experten bei jeder Gelegenheit auf dem Silbertablett präsentiert werden. Wenn wir nach Handlungsmaximen und verbindlichen Orientierungsperspektiven suchen und uns dabei von Religion verabschieden, dann ist der „Monogäismus“ die grundlegende Vorgabe jedes neuen Wertesystems: Es gibt vielleicht keinen Gott, aber es gibt nur eine Erde. „Ohne (Gott), hieß es, sei ‚alles erlaubt‘. (…) Wenn Gaia gegen uns ist, dann ist nicht mehr sehr viel erlaubt“, schreibt Bruno Latour über diese Wortschöpfung, die er Sloterdijk entlehnt (die aber kurioserweise sonst nirgendwo auftaucht).

Die Konzentration auf endenwollende Ressourcen und Möglichkeiten macht auch klar, warum gerade jetzt die Frage nach Richtlinien, Orientierung und Moral akuter wird: Ein Ablaufdatum wird vorstellbar. Und das alleine ist nicht der einzige Grund: Die Reichweite unserer Handlungen steigt, das Tempo beschleunigt sich. In einer vernetzen Welt, in der vieles zusammenhängt, wird es zunehmend schwieriger, einzelne Idioten zu verkraften. Dazu trägt auch die gleichmachende Dynamik des Digitalen bei, die entgegen den ursprünglichen Erwartungen von Demokratisierung und Individualisierung eher den Mehrheiten entgegenkommt – vor allem jenen mit Budgets.

So konkret wird Sloterdijk aber kaum. Er zieht sich gegen Schluss wieder in abstraktere Regionen zurück. Eine Philosophie der Moderne, meint er, müsse die „Hermeneutik des Ungeheuren als Theorie der alleinigen Welt“ sein. Solche Formulierungen lassen wieder recht viel Spielraum. Hermeneutik als auslegender, interpretierender Zugang, ist schließlich auch am ehesten mit dem Dauergeschwätz unserer Zeit kompatibel. Und das Ungeheure, auch wenn das zugegebenermaßen schipp ein recht freier hermeneutischer Zugang ist, verstehe ich als Platzhalter des Extremen, Sensationellen, Erstmaligen – dessen, worüber wir gern reden oder das wir als das Erstrebenswerte, Beachtenswerte erachten. Aber das wird dann eine eigene Geschichte.

Man muss Peter Sloterdijks „Nach Gott“ nicht lesen. „Du musst dein Leben ändern“ enthält viele klarer formulierte, besser argumentierte Gedanken. Und die Lebenswelt-Konzepte von Bruno Latour oder Rahel Jaeggi liefern konkretere Hinweise für die Suche nach Antworten auf die Frage, was denn heute gut und wichtig sei.

Geht zu mehr Lesungen!

Lesungen und Buchpräsentationen, bei denen es tatsächlich um den Text geht, sind ein schwer unterschätzte Veranstaltungssorten. Stattdessen gibt es Buchpartys, Releasepartys, Diskussionpanels und andere Versuche, der Tatsache auszuweichen, dass es hier um einen Menschen und seine Gedanken in Papierform geht.
Leopold Federmair lieferte unlängst in der Alten Schmiede ein sehr schönes Beispiel dafür, wir mitreißend ein Abend sein kann, an dem ein Mensch einfach nur von seiner Arbeit erzählt.
Und das Buch ist kein besonders mitreißendes Drama, es knüpft an keinen Trendthemen an und es ist nicht mal aufregend betitelt: „Tokyo Fragmente“ beschreibt Beobachtungen von Spaziergängen und Gesprächen in Tokyo.
Federmair schweift ab, auch wenn er von Gesprächen mit Persönlichkeiten wie Kenzaburo Oe erzählt, oder von Elternbesuchen in japanischen Kindergärten, dazu erzählt er von seiner Neugier auf das Leben von Autoren, über die er alles wissen möchte, und die er sich jetzt, als 60jähriger, auch anzusprechen traut.
Er erzählt von Begegnungen mit Roberto Bolano, von der Schwierigkeit, jenseits der 40 noch Sprachen wie Japanisch zu lernen, von eigenen Irrwegen als junger Autor – aber was red ich, ihr sollt ja selbst zu mehr Lesungen gehen. Manchmal ist das sogar besser, als selbst zu lesen.

Theo Ananissoh, Delikatessen

Theo Ananissoh

Ananissohs Buch erzählt schnell und schnörkellos wie ein Theaterstück oder wie eine Real Time-Fernsehserie die Geschichte von einer Frau, vier Männern, Macht, Begehren und Korruption.
Die Handlung streckt sich nur über drei Tage – Donnerstag/Freitag/Samstag sind die Hauptkapitel im Buch – und spitzt sich sehr schnell zu.
Die Story erzählt vom Alltag n Togo, von ganz selbstverständlichen Schwierigkeiten, mit denen Frauen hier, stellvertretend für viele Länder Subsahara-Afrikas, zu kämpfen haben.
Sonia ist Fernsehen- und Radiomoderatorin, hübsch, jung, prominent und begehrt. Reich allerdings nicht, deshalb führt sie zusätzlich eines der kleinen Straßenrestaurants, die nicht viel mehr sind als ein Bretterverschlag, der an einem Haus lehnt.
Sie hat eine Affäre mit einem jungen Beamten, dann kommt ihr allerdings ein togolesisch-kanadischer Dichter auf Heimaturlaub in die Quere. Und da ist auch noch der ältere dicke Stammgast, der ihr im Gegenzug für Gefälligkeiten Haus, Auto und Sorglosigkeit bieten möchte.
Die drei lassen sich noch unter einen Hut bringen, dann aber entpuppt sich der Beamte als Geheimdienstmitarbeiter, der im Auftrag seines Chefs handelt, der Sonia eigentlich kennenlernen möchte. Dabei arbeitet er nicht nur mit Geschenken, sondern auch mit Druck, den vor allem der kanadische Dichter zu spüren bekommt – so wird es also turbulent.

Ananissoh erzählt von einer Welt, in der Jobs selten ausreichen, um Menschen zu ernähren, von Leben und Beziehungen, die ganz unromantisch aus praktischen Notwendigkeiten zerrissen werden, großer Ungleichheit und den eigentlich nur kleinen Schritten dazwischen. Es sind minimale Unterschiede der Biografien, die große Auswirkungen haben,
Das wird ohne große Dramatik, ohne Bitterkeit erzählt. Damit ist „Delikatessen“ eine ziemlich akkurate Beschreibung von Alltagsszenarien und -entscheidungen, die vielerorts selbstverständlich sind und für Europäer doch so fremd und unvorstellbar anders wirken.

 

Theo Ananissoh wurde 1962 in Togo geboren und lebt als Literaturwissenschaftler in Deutschland.

Ich wollte eigentlich nie Marx lesen, aber der Jacobin sagt …

Marx stand nie ganz oben auf meiner Leseliste. Als Student war mir da zu wenig Musik drin – Marx beschäftigt sich mit realökonomischen Fragestellungen; Metaphysik, Ontologie und andere spannende Themen finden sich bestenfalls zwischen den Zeilen.
Später, als ich die realökonomischen Fragestellungen spannender fand, hatten für mich andere Zeitgenossen, vor allem die Anarchisten wie Bakunin und Kropotkin mehr zu sagen.
Heute wundert mich ja am meisten, dass Marx auch zu seinem 200. Geburtstag noch nicht als neuer Heiliger der Work Life Balance, der öko-esozentrierten Selbstoptimierung und der Finde-dein-Selbst-Mentalcoaches avanciert ist. Schließlich war er es doch, der grundlegende Unzufriedenheit, Spannungen zwischen Ideellem und Materiellem, zwischen Anspruch und Realem beschrieben hat.
Gelesen habe ich trotzdem bis heute nur das Kapital – und dann auch nie wieder reingeschaut.

Linke Theorie liegt im Moment eher danieder. Das neu erflammende Interesse an Karl Polanyi ist befremdlich, verlässliche Visionsspekulanten wie Slavoj Zizek oder Chantal Mouffe versagen kläglich beim Versuch, real relevanter zu werden, kaum etwas wirkte bereits bei Erscheinen älter als der große Sammelband „Die große Regression“, in dem das Aufkommen rechter Politik diskutiert wurde.

Auf der anderen Seite gibt es das Jacobin Magazin: Cool aufgemachte linke Theorie, ein Magazin, das astronomische Verkaufszahlen hat (für ein Politik-Magazin, für ein Theorie-Magazin, eigentlich für jedes Magazin), und ein neuer Hoffnungsschimmer am politisch linken Horizont.
Der Aufstieg des Jacobin ist offenbar so faszinierend, dass der Suhrkamp Verlag dem Magazin eine eigene Anthologie in Buchform widmet. Auf 300 Seiten findet sich ein Best-Of diverser Artikel und Interviews. Und sehr viele davon drehen sich, wenn sie sich nicht um Bernie Sanders drehen, um Marx, Marxismus, Marx lesen und Marx verstehen.

Für einen Menschen, der politischer Theorie gegenüber sehr aufgeschlossen ist, ist das sehr ernüchternd. Von konservativer Seite ist nichts nur erwarten, weil das Bewahren (vor allem das Bewahren von Macht) selten herausfordernde Argumente hervorbringt. Liberale sind heute die intellektuell schwächsten – aus lauter Angst vor Ideologie und Dogmatismus beschränkt sich deren Theorieüberbau auf zu Hashtags eingedampften Spässchen im veganen Blondinenwitzformat. Die linken waren die mit Visionen, um die man spannende Theoriegebäude bauen konnte.
Und jetzt wollen sie auch nur mit Marx-Zitaten um sich werfen?

Vielleicht hat die Rückbesinnung auf weitgehend gefahrlose und inspirationsfreie Texte ja auch mit der Angst vor den gescheiterten Menschenbildern zu tun. Der Idealtyp konservativer Politik ist der verdienstvolle langjährige Angestellte, dessen Frau ihm abends die Pantoffeln zur Couch bringt. Liberale idealisieren einen farblosen homo oeconomicus, der immer rational handelt – es sei denn, es ärgert ihn gerade etwas. Der neue Mensch sozialistischer Visionen ist in den Blutbädern Chinas und Russlands untergegangen, geistert heute noch durch albanische oder rumänische LIteratur.
Dabei wäre gerade hier viel Platz für ansprechende politische Theorie: Von welchem Menschen reden wir, welche Bilder haben wir dabei im Kopf? Welche Verhaltensweisen und Ideale helfen, eine Welt zu schaffen, die wir uns wünschen?
Ich fürchte, dass viele davon nur über Verhaltensweisen – im Konsum, im Wirtschaften, im persönlichen Umgang und auch in der Kultur – erreicht werden kann. Revolutionäre Wirtschaftsordnungen, auch wenn sie sauber marxistisch-leninistisch durchstrukturiert sind, leisten das nicht, fürchte ich.

“Man muss die Menschen …” – ach vergiss es

Es ist soweit: Auch die komplexitätsverliebtesten linken Theoretiker müssen heute Klartext reden; ihre Felle schwimmen davon. Vor fünf Jahren noch konnte man sich mit Visionen und deren Schönheit beschäftigen, sich einreden, die Konstruktion immer weiterer, durchaus auch ferner Visionen, sei eine Notwendigkeit. Dann kamen Trump, Duterte, Kurz, Macron und einige andere und spülten linke Politik ganz weit an die Ränder des Geschehens.

So marginalisiert wie heute waren linke Stimmen noch nie (wenn man auch ihre Relevanz miteinrechnet), so hilflos auf der Suche nach praktischen Handlungsanleitungen waren sie selten. Slavoj Zizek schafft es mit abenteuerlichen Konstruktionen, die Notwendigkeit des Klassenkampfs auch angesichts von Migrationsfragen als bestimmende Themen der Zeit zu retten, Chantal Mouffe steigt ganz tief hernieder und beschäftigt sich mit einer vermeintlichen Zukunftshoffnung linker Politik: „Linker Populismus“.

Die Voraussetzungen ihres Gedankengangs: Eine hegemoniale neoliberale Ordnung legt keinen Wert mehr auf Fronten zwischen Rechts und Links; politische Grenzen verschwimmen. Liberalismus und Demokratie sind zwei grundsätzlich positiv besetzte Begriffe, beide sind so etwas wie die Garanten westlicher Zivilisation, Errungenschaften, die nicht in Frage gestellt werden dürfen. Dabei sind es durchaus auch antagonistische Begriffe: Liberalismus pocht auf Individualität und verwehrt sich gegen Einschränkungen, Demokratie ist im wesentlichen ein Mittel. Einschränkungen zu legitimieren. Liberalismus negiert die Demokratie, diese wiederum negiert den Liberalismus, weil sie Freiheit an die Zustimmung vieler bindet.
Dieser Gegensatz wird durch gemeinsame Wurzeln von Liberalismus und Demokratie im Kampf gegen Absolutismus und Demokratie überbrückt.

Chantal Mouffe entscheidet sich nun nicht der Ordnung und der Demokratie halber tendenziell gegen den Liberalismus, für sie ist es eine Frage strukturell sauberer Logik. Es braucht Demokratie, also die Auseinandersetzung mit den anderen, weil politische Subjekte erst durch Repräsentation und Artikulation entstehen. Werte und Ideologien sind wertlos, wenn sie nicht in Kontext verankert sind, an Beispiele greifbar gemacht und an historischen Prozessen verständlich dargestellt werden. Politische Forderungen, die über einzelne Claims und Hashtags hinausgehen, die in ihrer Auswirkung auf gesellschaftliche Entwicklung deutlich werden sollen, sind auf ganze Ketten von Artikulation, Repräsentation und Spiegelung angewiesen. Für sich allein bleiben sie beliebige Begriffe, die jeder Mensch aus jeder politischen Position heraus beliebig ablehnen oder begrüßen kann.
Um dieses Problem zu lösen, schlägt sie eine Radikalisierung der Demokratie vor. Radikalisierung bedeutet: „Freiheit und Gleichheit für alle.“
Das eigentliche Problem dabei – das führt Zizek etwas deutlicher aus – ist dass sich die Vielzahl jeder, die diese Radikalisierung betreffen würde, nicht dafür begeistern lässt. Radikalität ist anstrengend und abschreckend, Feindbilder und Sündenböcke sind weitaus dankbarer. Mouffe führt noch hoffnungsvoll eine Reihe an sozialen Bewegungen – Occupy, Ciudadanos, Posemos, Oxi, La France Isoumise, Gilets Jaunes – ins Treffen und übersieht dabei, dass deren Radikalität sich entweder aus Richtungslosigkeit speiste (die drastischste Beispielen dafür sind Oxi und Gilets Jaunes) oder zu Staub zerfiel, sobald Fragen nach konkreten Anschlussmöglichkeiten lauter wurden (wie bei Occupy; wobei hier durchaus gilt: Das offene Ende war das beste und präziseste, das zumindest den Mythos am Leben gelassen hat).

Und weil auch Mouffe dann irgendwann zum Schluss kommen muss, landet sie dann bei einer wahrhaft schmerzhaften Wendung: Man müsse die Menschen dort abholen, wo sie stehen … Da hätte man ja gleich Politiker, Politikberaterinnen, Marketingleute oder Motivationstrainerinnen fragen können. Das ist das Radikalisierungsprojekt, auf dessen Basis sich gewinnbringender Populismus aufziehen lässt?

Dieses Rennen ist leider schon lange verloren; andere haben diese vermeintlichen Startblöcke schon lang gefunden und nicht nur einen uneinholbaren Vorsprung, sie haben schon mehrfach das Stadion umrundet, sich dabei gelangweilt und sich zu ganz anderen Ufern aufgemacht.

Der Gipfel solcher Plattitüden zeigt, wie traurig es wirklich um linke Visionen bestellt ist. Da wäre es noch besser gewesen, man wäre bei der hochabstrakten komplexitätsverliebten Theorie geblieben. Die lässt wenigstens Spielraum. Und manchmal liefert sie auch Inspiration.

Klassenkampf!!!

Fluchtbewegungen werden bei Žižek zur Beatmungsmaschinerie für linke Revolutionsvisionen. Das ist auch ein wenig zynisch.

Slavoij Žižek hat ein neues Buch geschrieben, ein kurzes, in dem er einige der Textpassagen, die ihn in „Vom Ereignis“ ,“Weniger als Nichts“ oder „Ärger im Paradies” immer wieder wiederholt beschäftigt haben, hinter sich lässt. Er beginnt etwas neues, er widmet sich dem Klassenkampf.
Žižek Buch ist eines von mehreren, die auch als Symptom eines Wendepunkts in linkem Denken gelten können. Linke politische Theorie ist traditionell von Visionen getrieben, man schaut nach vorne, beschwört eine bessere Zukunft, ist gerne utopisch und muss sich auch gar nicht mit den Niederungen der Realpolitik aufhalten. Vorsichtigen Kritikern galt das auch immer als eine der Schwächen linker politischer Theorie: Theorie und Vision auf der einen Seite, Praxis und Handeln auf der anderen Seite blieben immer feinsäuberlich voneinander getrennt. Der Theorie fehlt so die Relevanz, der Praxis fehlen Vision und Begeisterungskraft.
Jetzt scheint der Zug abgefahren: Rechte Populisten sind am Ruder, linke Politik, die einfach überrollt worden ist, sieht ein, dass man hätte handeln müssen; dass Handlungen eine Vision gebraucht hätten, um in großem Stil zu funktionieren und um in der Bevölkerung Zustimmung finden zu können.
Denn das große Kraftereignis linker Politik, die Revolution in der alle Hoffnung kulminiert, ist immer noch ausgeblieben.

Like politische Theorie, die heute relevant bleiben möchte, geht daher mitunter seltsame Wege. In „Klassenkampf“ geht Žižek ganz vorn auf diesen Wegen. Ein paar Gedanken aus dem Buch:
Es ist ok, auf westliche Werte zu beharren und sich einen gewissen Eurozentrismus zu leisten – sowohl gegenüber Einwanderern als auch in wirtschaftlichem Handeln. Denn traditionelle westliche Werte haben nicht nur aus kultureller und an Menschenrechten orientierter Perspektive einen gewissen Reiz – sind sind, dort wo sie geschützt und bewahrt werden sollen, auch ein wirksames Mittel gegen globalen Kapitalismus. Denn wer westliche Werte bewahren will, der liefert sich nicht dem chinesischen Turbokapitalismus aus. – Das ist geradezu ein Aufruf an Linke, auch mal wertkonservativ zu sein.
Ein zweiter Punkt ist die Richtungslosigkeit des Klassenkampfs: Plünderungen in London in den frühen Jahren der Finanzkrise hatten keinen erkennbaren Hintergrund. Sie begannen in zeitlicher und räumlicher Nähe zu politischen Kundgebungen, ließen sich aber nicht zuordnen, sie enthüllten keine politische oder klassenkämpferische Botschaft. Žižek interpretiert die Riots als ein Beispiel von Walter Benjamins „göttlicher Gewalt“, die keinen Sinn und kein Ziel hat, sondern nur Zerstörung bedeutet.
Diese offensichtliche Richtungslosigkeit verstärkt die Bedrohung, die andere empfinden und führt zu neuen und seltsamen Allianzen. Rechtspopulismus ist ein willkommener Verbündeter des Kapitals, meint Žižek, weil seine Versprechungen helfen, das Proletariat ruhighalten. Versprechungen, starke Männer, Feindbilder lenken den Unmut der unteren Klassen in kontrollierbare Bahnen; die herrschende Klasse toleriert, so Žižek, den moralischen Krieg der Populisten als ein Mittel, die unteren Klassen in Schach zu halten.
Das ist ein sensibles Gleichgewicht, das nicht zuletzt auch durch Zuwanderung bedroht wird. Denn Zuwanderer werden von populistischen Verheißungen nicht eingelullt, sie werden ausgeschlossen. Der in Zuwanderer projizierte Kulturkampf ist so in Žižek Sichtweise verschobener Klassenkampf.

In dieser Zuschreiben stecken zwei Bedeutungen: Die Ablehnung von Zuwanderern öffnet eine Kluft, die Raum für Klassenkampf schafft. Und anderswo wird der Klassenkampf offen ausgetragen – allerdings ebenfalls mit verschobenen Fronten. Žižek interpretiert den Kongo-Krieg und die folgende Dauerkrise im Kongo als Konflikt, in dem es vorrangig um kapitalistische Interessen geht, die nur notdürftig in lokalen Konflikten getarnt sind.
Zuwanderer hätten demnach das Potenzial, die eigentlich revolutionären Kräfte zu sein. Der westeuropäische Arbeiter ist zu sehr gesättigt und zu sehr am Gängelband patriotischer Populisten, um noch revolutionär zurechnungsfähig zu sein, revolutionäre Refugees wären da viel eher eine Kraft, mit der man rechnen muss. Insofern sind die auch doppelt bedrohlich: Sie gefährden die wohlige Ruhe des Kapitals und des Patriarchats gleichermaßen; sie machen umso deutlicher, dass niemand diese Revolution will – mit Ausnahme von ein paar politischen Theoretikern.
Zwei Anmerkungen dazu: Der Gedanke ist nicht neu. In den 70er Jahren nannte man das die Schmarotzerstaaten-Theorie und beschrieb damit die Enttäuschung, dass die Arbeiterschaft in den westlichen Industriestaaten nicht neue zur Revolution zu gebrauchen schien. Auch damals schon setze man einerseits Hoffnung auf in den Westen strömende „Gastarbeiter“, andererseits gab man sich sehnsüchtigen Phantasien über die noblen wilden Linke Lateinamerikas hin. Beides endete unglamourös unrevolutionär.

Diese Wendung offenbart die entsetzliche Ratlosigkeit linker Theorie. Damit meine ich nicht nur ihren Mangel an Originalität, es ist vor allem die nun schon über hundert Jahre nicht an Glanz gewinnende Revolutionsverliebtheit, die schockiert.

Es gibt kein revolutionäres Subjekt mehr (gab es auch zu Zeiten der Oktoberrevolution nicht, fragt Trotzki, der daran verzweifelte, mit russischen Bauern anstelle von europäischen Industriearbeitern Revolution spielen zu müssen); Revolutionsgeschwafel ist auch heute nicht freundlicher als zur Zeit der französischen Revolution.
Man muss keinem konsumkranken Proletariat kämpferischen Esprit einhauchen, man muss ebendiesem aber auch nicht tröstend Mut zusprechen oder ihm zuhören und seine Sorgen ernst nehmen, wenn es um den eigenen Wohlstand fürchtet. Das nämlich, so versteigt sich auch Žižek, sieht Žižek als eine der hoffnungsreichste Qualitäten von Bernie Sanders. Man müsse ihnen aber, damit rettet sich Žižek wieder vor der vollkommenen Plattitüde, auch klarmachen, dass in erster Linie sie selbst Verantwortung für die Zerstörung ihrer Lebensweise tragen: Sie konsumieren, geizen, fordern und faulenzen, sie bewundern Rücksichtslosigkeit und belohnen Gewalt, die sich durchsetzt, und sie lassen sich Angst einjagen, die lähmt und sich in der Lähmung multipliziert.

So wird das nichts mit dem Klassenkampf.

Wo Žižek allerdings wieder zielführendere Perspektiven auf den Plan bringt, ist die Verschiebung von Klasse zu Kultur als dominierende Trennlinie der Gegenwart. Kultur, definiert Žižek, ist der Name für all die Dinge, die wir praktizieren, ohne wirklich an sie zu glauben, ohne sie ernstzunehmen. Ein Kulturkampf ist für Žižek kein Kampf zwischen Kulturen, sondern die Frage, wie wir damit klarkommen und umgehen, dass verschiedene Kulturen nebeneinander existieren und damit doch die Frage nach einer Leitkultur.
Als solche empfiehlt sich durchaus eine westlich orientierte, eine, die es sich unter anderem ja auch zum Ziel setzt, globale Fluchtursachen zu beseitigen. Damit kommt Žižek dann allerdings wieder auf eines seiner Lieblingsthemen. Die Beseitigung von Fluchtursachen geht in seiner Sichtweise mit einer Beseitigung von Ungleichheit und der Eindämmung kapitalistischer Umtriebe einher. „In meiner Jugend nannte man solch einen organisierten Versuch, das Gemeingut zu regulieren, Kommunismus. Vielleicht sollten wir ihn neu erfinden.“
Damit bekommt der Klassenkampf – einmal mehr in der Ferne, so wie früher in Lateinamerika oder in der Karibik – doch noch einmal seine Berechtigung …

Friederike Mayröcker hat gelesen und ich habe nachgedacht

In jungen Jahren habe ich öfters versucht, irgendwo an der Literaturszene anzudocken. Dort waren meistens streng riechende ältere Männer, Ökos in bunten Wollpullovern und ältere Damen mit Leopardenmusterfärbung im kurzen silbernen Haar.
Daran hat sich wenig geändert; die Menschen sind noch älter geworden, und wieder gibt es mittendrin ein paar Mittzwanziger auf der Suche.

Gestern las Friederike Mayröcker im Rahmen einer Soiree in der ÖGS, sazu zeigte Stefan Gabi einige Bilder, Karin Nasa spielte die Koto eine 25saitige Art japanische Zither, die fallweise klingt wie drei virtuos gespielte Gitarren.
Die Literaturwissenschaftlerin Aurélie Le Née sprach einleitende Worte, und mir wurde wieder mal klar, sarum ich den Kontakt zur Literaurszene (nicht zur Literatur) verloren habe, und warum eine geisteswissenschaftliche Karriere schon sehr früh keine Option für mich war.
Fabis Zeichnungen erinnern an Picasso, Mayröcker erwähnt Picasso in einem der Texte, Le Née erklärt, dass Mayröcker wohl beim Schreiben der Texte an Picasso gedacht hat. Mayröcker schreibt in einem der Texte, sie hänge am Zeiger der Uhr wie Charlie Chaplin. Le Née erklärt, dass Mayröcker sich damit auf einen Film Charlie Chaplins bezieht, in dem dieser am Zeiger einer überdimensionalen Uhr hängt, wobei Charlie Chaplin ja in der Uhr war; an der Uhr hing Harold Lloyd in einem anderen Film.

Ich habe nie Sinn darin gesehen, Menschen zu erklären, was sie gerade gesehen haben. Ich habe es auch nie verstanden, warum man Bücher schreibt, um dann, im gleichen Stil und in vorgegebener Form, der Wissenschaftlichkeit halber, zu erklären, was in anderen Büchern steht. Wenn das jemanden interessiert, kann er oder sie dieses Buch doch selbst lesen. Und wenn es nicht interessant ist, dann wird es auch durch Nacherzählung oder Interpretation nicht interessanter.
Das ist natürlich nicht nur ein schlechter Start für eine dann gar nicht gestartete geisteswissenschaftliche Karriere, sondern auch eine etwas unkommunikative Einstellung. Da verbringst du viel Zeit damit, Bücher zu lesen, hättest einiges dazu zu erzählen – und tust es dann nicht.

Ich möchte ja niemandem etwas vorenthalten, ich zwinge mich manchmal geradezu dazu, etwas zu erzählen. Aber heimlich halte ich es doch für einen Akt der Unhöflichkeit. Denn du erzählst damit Menschen etwas, das sie schon wissen (dann, wenn sie sich nämlich auch dafür interessieren und etwas dazu gelesen haben), oder du langweilst sie mit etwas, das sie ausdrücklich nicht interessiert (sonst hätten sie sich ja damit beschäftigt).
Das hat übrigens Lehrer an Schule und Universität schon immer zur Verzweiflung gebracht. Denn für mich war immer klar: Es ist ja klar, dass ich das weiß, ich lese ja viel; also werde ich nichts dazu sagen. Denn viel spannender ist doch, ob andere vielleicht auch etwas dazu zu sagen haben.
Ich halte also nicht viel davon, Dinge nachzuerzählen, die ich wo gelesen habe, ich stehe historisierenden Nachnachnacherzählungen, die sich dann vielleicht noch bemühen, irgendwelche Kuriositäten einfließen zu lassen, mit Grausen gegenüber.

Das wäre natürlich eine Einstellung, die das gesamte kulturelle Leben zum Erliegen bringen würde. Und manchmal rede ich ja auch über Kultur. Aber was wäre dann der Ansatz, mit dem sich etwas sinnvolles sagen ließe? Oder ist es umgekehrt und im Gegenteil das große Verdienst langweiliger Kulturdiskurse, nicht auffallen, nicht unterhalten zu müssen, sonder schlicht auch mal widerspiegeln zu können, was gerade Sache ist? – Letzteres passiert natürlich nie; alles passiert mit einer Position und auch mit einer bestimmten Richtung.
Im Wesentlichen sind es drei Archetypen kultureller Diskurse, die mich immer wieder zum Schweigen bringen:
1. Bewunderung: Ich wollte gar nicht bewundert werden und ich will schon gar nicht Anerkennung sammeln oder andere zum Schweigen bringen; ich wollte nur eine kurze Geschichte erzählen, die mir gerade eingefallen ist und die sich nur deshalb in irgendeinem kulturellen Umfeld bewegt, weil ich wenig anderes zu sagen habe. Also, ich wollte das nicht; können wir über etwas anderes reden?
2. Die vermeintlich gebildeten und belesenen Allwissenden: Es gibt diese Typen, die von sich glauben, viel zu wissen, und auch gerne darüber reden. Weil sich das nicht immer oder ihrer Meinung nach nicht oft genug ausspielen lässt, nötigen sie dann oft andere, sie etwas zu fragen oder sie herauszufordern. Dann predigen sie bruchstückhaftes Faktenwissen, lassen ambivalente Interpretationen vermissen und vermeiden schwierige Spielräume. Dann strahlen sie dich an, als hätten sie dir gerade ein tolles Geschenk präsentiert, warten auf Bewunderung, bereiten schon ihre nächste Geschichte vor und bekommen gar nicht mit, dass dein neutrales Gesicht nicht auf Schwerhörigkeit oder mangelndes Verständnis zurückzuführen ist oder das Ergebnis mit großer Contenance überspielter Fremdscham ist.
3. Die Stichwort-Vampire Sie lauern auf Reizworte, und kaum ist eines gefallen, reißen sie die Aufmerksamkeit an sich, biegen zu einem minutenlangen Umweg ab, verpacken möglichst viele Nebensächlichkeiten in einen ausufernden Spannungsbogen, unterstellen dir Irrtümer, um dir vorhalten zu können, dass alle anderen außer ihnen oberflächlich sind, und auch sie hören nicht auf zu reden und dafür dann Anerkennung und Bewunderung zu heischen. Das Gefühl, das sich dann breitmacht, ist ähnlich dem großen Bedauern, das sich einstellt, wenn du dem untalentierten Gastgeber-Koch höflichkeitshalber eine anerkennende Bemerkung gemacht hast und dich vor einem nächste ekelhaften Haufen ungeliebten Fraßes wiederfindet.

Das ist eine ziemlich traurige Zustandsbeschreibung. Aber während ich noch darüber nachdenke, ob ich vielleicht zu schwarz male, erkennt mich einer der streng riechenden schlecht gekleideten Herren als alleinstehendes Opfer, schiebt sich ein letztes Brötchen in den Mund und hebt, noch kauend, Brösel spuckend und eine fettige Hand nach mir ausstreckend, an, irgendetwas zu erklären, das ich nicht wissen wollte.
Ich verlasse den Abend und werde mich bei nächster Gelegenheit wieder voll froher Hoffnung von neuem auf die Suche machen. Und ich werde weiter darüber nachdenken, warum es mich so selten freut, von den Ideen, die mich am meiste beschäftigen, zu erzählen.

Nkem Nwankwo, Mein Mercedes in größer als deiner

„Mein Mercedes ist größer als deiner“ ist ein klassisch afrikanischer Entwicklungsroman, eine Geschichte, wie sie sich in vielen Varianten auch in Millionen afrikanischer Popvideos wiederholt: Junger Mann verlässt das Dorf, zieht in die Stadt, wird von Macht, Geld und Drogen verdorben und sucht auf die eine oder andere Art den Rück- oder Ausweg.
Der Protagonist in Nkem Nwankwo Roman hat vorerst Spaß dabei und kehrt auch nur zurück, um zu protzen. Er arbeitet in der Kommunikationsbranche, als Public Relations Spezialist ist der vor allem für die Auszahlung von Schmiergeldern europäischer und amerikanischer Konzerne zuständig. Das ist ein lukratives Geschäft, das ihm eine tolle Wohnung in Lagos einbringt, die ihm tolle Frauen einbringt, genug Geld – und einen Jaguar, der im Dorf vorgeführt werden muss, obwohl dorthin praktisch keine Straßen führen.
Das geht nur eine Zeitlang gut. Dann werden die fehlenden Stra0en und der im Überfluss vorhandene Schnaps dem Jaguar zum Verhängnis.
Und besonders bitter ist, dass der Cousin des Protagonisten, der ebenfalls gerade in das Dorf zurüpckgekehrt ist, offenbar auf das bessere Pferd gesetzt hat. Als politischer Lobbyist kann der sich sogar einen noch begehrteren Mercedes leisten. Der vom Verlust seines Jaguar schwer gebeutelte Protagonist erweist sich als lernfähig und will es ihm gleichtun.
„Mein Mercedes ist größer als deiner“ ist eine nigerianische Story von Wanderschaft, Macht, Korruption, Politik und den persönlichen Grenzen, die Menschen immer wieder erbarmungslos einholen.
Manchmal wie man als Leser dabei nicht, ob die Erzählung dabei gerade humorvoll, defätistisch, übertrieben dramatisch oder einfach nur nüchtern realistisch ist. Das weiß man allerdings auch dann oft nicht, wenn man afrikanischem Alltag abseits der Literatur im realen Leben mitbekommt.

 

Nkem Nwanko wurde 1936 in Nigeria geboren, arbeitete dort als Journalist und starb 2001 in den USA